"Das ist #Spahnsinn" - Datenschützer kritisieren die Pläne von Gesundheitsminister Spahn zur elektronischen Übertragung von Krankheitsdaten

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Di Aug 21 10:02:00 CEST 2018


Pressemitteilung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung:

"Das ist #Spahnsinn" - Datenschützer kritisieren die Pläne von
Gesundheitsminister Spahn zur elektronischen Übertragung von Krankheitsdaten

Seit wenigen Tagen liegt ein Referentenentwurf des Terminservice- und
Versorgungsgesetzes (TSVG) vor. Datenschützer und Patienten sind
alarmiert: "Bundesgesundheitsminister Spahn will eine auf zentralen
Servern liegende ‚elektronische Patientenakte‘ mit Zugriff sowohl über
die Gesundheitskarte und ihre Telematikinfrastruktur, als auch über das
Internet." erklärt Dr. Silke Lüder vom Bündnis "Stoppt die E-Card". "Das
bedeutet eine gigantische Sammlung sensibler Daten auf einem zentralen
Server - für Datendiebe ein extrem attraktives Ziel mit hohem
finanziellen Wert. Patienten, deren Daten dort gespeichert werden,
werden quasi enteignet", ergänzt Dr. Elke Steven, Geschäftsführerin von
"Digitale Gesellschaft".

Außerdem bergen beide Zugriffswege Risiken: Der Zugang über die
Gesundheitskarte erfordert ein zentrales Register aller vorhandenen
elektronischen Akten in der Telematik-Infrastruktur. So kann man leicht
nachprüfen, welche Versicherten keine elektronischen Akten haben. Bei
Versicherten mit elektronischer Akte kann man über dieses
Zentralregister mindestens feststellen, wo ihre Akte zu finden ist.

Der nun zusätzlich vorgesehene Zugang per Smartphone oder Tablet über
das Internet bedeutet offene Schnittstellen in der
Telematikinfrastruktur, welche aus Sicherheitsgründen als geschlossenes
Netz geplant war. Damit vervielfältigt sich die Gefahr unbefugter
Zugriffe auf die elektronischen Patientenakten. Die übertragenen Daten
auf den oft unzureichend gesicherten Mobilgeräten sind weiteren Gefahren
ausgesetzt: Zugriffe durch Schadsoftware, Staatstrojaner und persönliche
Assistenten (wie z.B. Cortana oder Siri) der Internet-Konzerne.

Auch die Einwilligungsregelung soll sich ändern: Mit der Übertragung von
Daten in die elektronische Akte durfte bislang erst begonnen werden,
wenn der Betroffene gegenüber einem Arzt, Zahnarzt, Psychotherapeuten
oder Apotheker eingewilligt hatte und die Einwilligung auf der
Gesundheitskarte dokumentiert war. Dies setzte voraus, dass die
Patienten auch tatsächlich in der Lage sein mussten, ihre Entscheidung
bewusst und in Kenntnis der Risiken einer Offenlegung ihrer Daten zu
treffen – was bei Kranken und Hilfsbedürftigen nicht ohne weiteres
vorausgesetzt werden kann. Nach dem Gesetzentwurf soll nicht einmal
diese Möglichkeit mehr gegeben sein. Denn die Patienten sollen ihre
Zustimmung auch pauschal auf anderen Wegen oder nur gegenüber der
Krankenkasse erklären können. Dies macht es schwer nachvollziehbar, ob
tatsächlich eine Einwilligung vorliegt oder ob sie eventuell sogar
widerrufen wurde.

Außerdem soll eine "elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung"
(eAU) eingeführt werden. Das bedeutet, dass alle Angaben, die bisher vom
Versicherten auf Papier an die Krankenkasse geschickt wurden, künftig
unter Angabe der Diagnose über eine Telematikinfrastruktur geleitet
werden sollen. Der Versicherte hat so keine Möglichkeit, sich gegen
diese elektronische Übertragung sensibler Daten zu entscheiden.

"Die zentrale Speicherung mit Online-Zugang im Browser, ohne
ausreichende Verschlüsselung vereint das Schlechte aus zwei Welten"
fasst Anwalt und IT-Fachmann Jan Kuhlmann, Vorsitzender des Vereins
Patientenrechte und Datenschutz e.V., zusammen. "Die beabsichtigte
Einwilligungsregelung und eine elektronische
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gefährden die informationelle
Selbstbestimmung des Versicherten. Wir bewerten diese Vorschläge als
#Spahnsinn".

Unterstützende Organisationen:

Die Aktion "Stoppt die e-Card" www.stoppt-die-e-card.de ist ein breites
Bündnis von mehr als 50 Bürgerrechtsorganisationen, Datenschützern,
Patienten und Ärzteverbänden. Die Bündnispartner sehen in der
elektronischen Gesundheitskarte eine Gefahr für die ärztliche
Schweigepflicht, die informationelle Selbstbestimmung der Bürger und für
eine gute medizinische Versorgung. Das Bündnis ist seit 2007 aktiv.

dieDatenschützer Rhein Main https://ddrm.de/ - eine lokale Gruppe des
Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung und Partner der Aktion: Stoppt die
e-Card! Die aktuellen Arbeitsschwerpunkte sind u. a. die unzulässige
Videoüberwachung des öffentlichen Raums; die elektronische
Gesundheitskarte (eGK) und die Digitalisierung des Gesundheitswesens,
der Sozialdatenschutz, z.B. bei Job-Centern und die Überwachung durch
Geheimdienste und andere staatliche Stellen.

Der Digitale Gesellschaft e.V. hat sich der gerechten und demokratischen
Teilhabe aller Menschen am digitalen und vernetzten Zeitalter
verschrieben. Wir setzen uns gegen einseitige Sicherheits- und
Urheberrechtspolitik, für Transparenz und Fairness, gegen
Hinterzimmerlobbyismus und für Nutzerrechte ein. Wir wollen Grund- und
Freiheitsrechte in der digitalen Welt verteidigen und ausbauen.

Die Freie Ärzteschaft e. V. (FÄ) www.freie-aerzteschaft.de ist ein
Verband, der den Arztberuf als freien Beruf vertritt. Er wurde 2004
gegründet und zählt mehr als 2.000 Mitglieder: vorwiegend
niedergelassene Haus- und Fachärzte sowie verschiedene Ärztenetze.
Vorsitzender des Bundesverbandes ist Wieland Dietrich, Dermatologe in
Essen. Ziel der FÄ ist eine unabhängige Medizin, bei der Patient und
Arzt im Mittelpunkt stehen und die ärztliche Schweigepflicht gewahrt bleibt.

Die Humanistische Union e. V. - Landesverband Berlin-Brandenburg
http://berlin.humanistische-union.de/ ist eine unabhängige
Bürgerrechtsorganisation. Seit unserer Gründung 1961 setzen wir uns für
den Erhalt und Ausbau der Grundrechte in Deutschland ein. Wir sind für
die Durchsetzung des Rechts auf selbstbestimmtes Leben und Sterben.

Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. http://www.grundrechtekomitee.de
Aktiv, streitbar, couragiert und – wenn menschenrechtlich geboten –
zivil ungehorsam engagiert sich das Komitee für Grundrechte und
Demokratie. Im Themenbereich "Gesundheitssystem / Bioethik" treten wir
für Datensouveränität und Patient*innenrechte ein und haben uns u.a.
kritisch mit Big Data im Gesundheitswesen und der e-Card auseinander
gesetzt.

LabourNet Germany: http://www.labournet.de/ Treffpunkt für Ungehorsame,
mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch
Patientenrechte und Datenschutz e.V.
https://patientenrechte-datenschutz.de/ ist ein Zusammenschluss von
Mitgliedern gesetzlicher Krankenkassen, die die elektronische
Gesundheitskarte und die geplante Vernetzung im Gesundheitswesen, die
sog. "Telematikinfrastruktur", aus Datenschutzgründen kritisieren.

Thure von Uexküll-Akademie für Integrierte Medizin
https://uexkuell-akademie.de/ Auf der Suche nach einem passenden Modell,
um die Spaltung der Medizin in eine für seelenlose Körper und eine für
körperlose Seelen zu überwinden, haben sich in der Akademie Kolleginnen
und Kollegen verschiedenster Fachrichtungen zusammen getan. In
Regionalgruppen, Workshops, Modellwerkstätten und Tagungen werden die
Grundgedanken des entstehenden Modells (wissenschaftstheoretische
Ansätze der Semiotik, des Konstruktivismus und der Systemtheorie)
vertieft, diskutiert und in ihrer Brauchbarkeit überprüft. Ziel ist die
Entwicklung einer Theorie der Humanmedizin, die die individuelle
Wirklichkeit der Beteiligten reflektiert.


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