PM des AK Vorrat vom 20.03.2013 - Gesetzentwurf zu Bestandsdatenabfrage weiter verfassungswidrig
Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
presse at vorratsdatenspeicherung.de
Mi Mär 20 13:23:22 CET 2013
Sehr geehrte Damen und Herren,
nachfolgend finden Sie die Pressemitteilung des Arbeitskreises
Vorratsdatenspeicherung vom 20. März 2013 zum Thema:
'Gesetzentwurf zu Bestandsdatenabfrage weiter verfassungswidrig'
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Pressemitteilung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung vom 20.03.2013
Gesetzentwurf zu Bestandsdatenabfrage weiter verfassungswidrig
Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung veröffentlicht die geplanten
Änderungen und konkretisiert schwere Vorwürfe
Schon im November 2012 hat der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
kritisch auf die geplante Änderung des Telekommunikationsgesetzes
hingewiesen [1]. Nach weiterer Kritik aus den Reihen von
Rechtsexperten und Datenschützern hat der Bundestagsausschuss
daraufhin Änderungen vorgenommen, die jedoch nur marginaler Natur sind
und den Kern der Probleme unberührt lassen.
Die Verabschiedung der Gesetzesänderungen soll am morgigen Donnerstag
erfolgen, und würde einen drastischen Einschnitt in die wesentlichen
Persönlichkeitsrechte der Menschen bedeuten und das Brief- und
Telekommunikationsgeheimnis erheblich schwächen.
Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung veröffentlicht die von der
SPD nun unterstützten Änderungsvorschläge [2] und belegt mit einer
Auflistung von sechs konkreten Punkten [3], warum die geplanten
Neuregelungen schlecht für eine freiheitliche und demokratische
Gesellschaft sind und die verfassungsmäßigen Grenzen des Zulässigen
weit überschreiten:
1. Es fehlt bereits die verfassungsrechtlich gebotene abschließende
Bestimmung, welche Vorschriften einen Zugriff auf Kommunikationsdaten
erlauben sollen (einfachgesetzliches Zitiergebot).
2. Entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sollen Zugriffe
auf Kommunikationsdaten durch Polizeibehörden nicht beschränkt werden
auf Fälle konkreter Gefahr oder des Verdachts einer besonders
gewichtigen Ordnungswidrigkeit oder Straftat. Entgegen den Vorgaben
des Bundesverfassungsgerichts soll die Identifizierung von
Internetnutzern selbst zur Ermittlung geringfügiger
Ordnungswidrigkeiten zugelassen werden.
3. Entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts soll die
Identifizierung von Internetnutzern durch Geheimdienste keine
tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer konkreten Gefahr
voraussetzen.
4. Es ist unklar und nicht kontrollierbar, unter welchen
Voraussetzungen Anbieter Zugriffscodes wie Mailbox-PINs oder
E-Mail-Passwörter an Staatsbehörden herausgeben dürfen.
5. Der Bund will Anbietern verbieten, betroffene Kunden über erfolgte
Datenabfragen zu benachrichtigen, selbst wo die Länder Stillschweigen
nicht anordnen (z.B. bei Suizidgefahr oder Vermissten).
6. Den Datenzugriff durch eine elektronische Schnittstelle weiter zu
erleichtern ist unverhältnismäßig und verfassungswidrig.
"Sicherheitsbehörden und Geheimdienste dürften sich nach diesem
Entwurf nahezu unbeschränkt bei den umfangreichen Adress- und
Kontoinformationen der Provider bedienen und die Zuordnung einer
IP-Adresse mittels automatisierter Analyse der Verkehrsdaten
verlangen," erläutert Heiko Stamer vom Arbeitskreis
Vorratsdatenspeicherung. "Der Richtervorbehalt beim Zugriff auf
Passwörter und Sicherheitscodes wird sich in der Praxis als genauso
wirkungslos wie bei Hausdurchsuchungen erweisen. Und die marginalen
Änderungen bei der Benachrichtigungspflicht sind insgesamt viel zu
schwach und bleiben daher unwirksam. Die durchaus gebräuchlichen
juristischen Floskeln haben sich bereits seit geraumer Zeit als
untauglich erwiesen, wie beispielsweise die noch immer ausstehende
Benachrichtigung von tausenden Betroffenen der weitreichenden
Funkzellenabfragen in Sachsen und Berlin zeigt."
"Wenn die Provider künftig die Passwörter ihrer Kunden im Klartext
herausgeben sollen, dann müssen sie diese auch so speichern, und nicht
in sicherer Form als sog. Hash-Werte," ergänzt Kai-Uwe Steffens vom
Arbeitskreis. "Das wäre eine Verletzung der gängigen Sicherheitspraxis
und ein reales Riskio für alle Kunden. Denn auch solche Daten können
in falsche Hände geraten. Die Folgen wären unabsehbar."
"Die mit dieser Gesetzesänderung verbundene Einführung einer
elektronischen Schnittstelle zur vereinfachten oder gar
teil-automatisierten Abfrage von Kommunkikationsdaten der Menschen ist
nicht dem vereinbar, was wir uns als freie Gesellschaft vorstellen
oder wünschen," betont Michael Ebeling vom AK Vorrat. "Die damit
installierte Überwachungs-Infrastruktur schafft gewaltige
Missbrauchsrisiken und wird nicht effektiv kontrolliert werden können.
Den Abgeordneten des Bundestags sollte das sachlich und in aller Ruhe
erläutert werden, bevor sie morgen darüber abstimmen!"
Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung fordert die gewählten
Vertreter der Bürger im Bundestag dazu auf, dieser Änderung des
Telekommunikationsgesetzes ihre Stimme zu verweigern und grundlegende
Gedanken über die Weiterentwicklung der Gesellschaft im
informationstechnischen Zeitalter und über die Bedeutung der
Anonymität für die Menschen anzustrengen, bevor derartig tiefe
Beschneidungen des Brief- und Telekommunikationsfreiheit vorgenommen
werden.
Weitere Informationen:
Zusammenfassung der Kritik am aktuellen Gesetzentwurf
<http://blog.vorratsdatenspeicherung.de/2013/03/19/bundestag-will-donnerstag-verfassungswidrigen-gesetzentwurf-zur-internetuberwachung-durchpeitschen/>
Letzter Änderungsantrag zum Gesetzentwurf, gebilligt durch CDU/CSU,
FDP und SPD
<http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/images/Aenderungen-bestandsdatenregelungen-NEU.pdf>
Informationsseite zur Gesetzesänderung im Wiki des AK Vorrat
<http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/Bestandsdaten-StN>
[1]
<https://www.vorratsdatenspeicherung.de/index.php?option=com_content&task=view&id=715&Itemid=55
und
https://www.vorratsdatenspeicherung.de/index.php?option=com_content&task=view&id=714&Itemid=55>
[2]
<http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/images/Aenderungen-bestandsdatenregelungen-NEU.pdf>
[3]
<http://blog.vorratsdatenspeicherung.de/2013/03/19/bundestag-will-donnerstag-verfassungswidrigen-gesetzentwurf->
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