Internetnutzer fordern Schutz vor Aufzeichnung des Surfverhaltens
presse at vorratsdatenspeicherung.de
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Di Jun 5 10:56:00 CEST 2018
Pressemitteilung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung vom 05.06.2018:
Internetnutzer fordern Schutz vor Aufzeichnung des Surfverhaltens
Deutschlands Datenschutzbehörden sollen ein "Verbot der
Zwangsidentifizierung und der massenhaften Protokollierung des
Surfverhaltens im Internet" aussprechen, fordert der Arbeitskreis
Vorratsdatenspeicherung in einem Offenen Brief an die
Datenschutzkonferenz.[1] Auch nach der neuen europäischen
Datenschutz-Grundverordnung müssten Internetnutzer vor einer
Vorratsspeicherung und Verfolgung der von ihnen abgerufenen
Internetseiten durch Seitenbetreiber geschützt bleiben. Denn sensible
Daten über die Internetnutzung könnten selbst höchste Amtsträger
erpressbar machen, warnt der Zusammenschluss von Bürgerrechtlern,
Datenschützern und Internetnutzern.
Stein des Anstoßes ist ein Papier der Datenschutzkonferenz, demzufolge
die Datenschutzregeln des deutschen Telemediengesetzes seit 25. Mai
nicht mehr zu beachten seien[2] - obwohl das Gesetz weiterhin in Kraft
ist. Nach Protesten aus der Werbewirtschaft, die das Surfverhalten
weiterhin ohne Einwilligung aufzeichnen und auswerten will, haben die
Datenschutzbehörden eine Anhörung dazu gestartet.[3]
Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung fordert von der
Datenschutzkonferenz nun eine "Klarstellung, dass Telemedienanbieter das
Internetnutzungsverhalten auch weiterhin nur dort aufzeichnen dürfen, wo
es ausnahmsweise zur Ermöglichung oder Abrechnung ihres Angebots nötig
ist, und dass sie soweit zumutbar weiterhin eine anonyme Nutzung ihrer
Angebote zu ermöglichen haben". Nur nicht gespeicherte Daten seien
sicher vor Datenmissbrauch, Datendiebstahl und Datenhandel, wie der
Facebook-Skandal zeige. Die digitale Meinungs- und Informationsfreiheit
sei für die Gesellschaft so wichtig, dass sie eines besonderen Schutzes
vor Selbstzensur aus Furcht von Nachteilen bedürfe.
Hintergrund: Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung wirbt mit seinem
Portal "Wir speichern nicht!" (http://www.wirspeichernnicht.de) für
einen Verzicht auf die weit verbreitete personenbezogene Aufzeichnung
des Surfverhaltens (sog. IP-Logging) durch Betreiber von
Internetportalen. Am 26. Juni verhandelt das Landgericht Berlin über
eine Klage von AK Vorrat-Mitglied Patrick Breyer gegen die
Surfprotokollierung auf Internetportalen des Bundes.[4]
Fußnoten:
[1] Offener Brief zur Surfprotokollierung:
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/783/79/lang,de/#brief
[2] Positionspapier der Datenschutzkonferenz:
<https://www.ldi.nrw.de/mainmenu_Datenschutz/submenu_Technik/Inhalt/TechnikundOrganisation/Inhalt/Zur-Anwendbarkeit-des-TMG-fuer-nicht-oeffentliche-Stellen-ab-dem-25_-Mai-2018/Positionsbestimmung-TMG.pdf>
[3] Anhörung der Datenschutzkonferenz:
<https://www.datenschutz.de/anwendbarkeit-des-telemediengesetzes-einladung-zur-diskussion-mit-den-datenschutzaufsichtsbehoerden/>
[4] Klage gegen Surfprotokollierung:
<http://www.daten-speicherung.de/index.php/klage-gegen-surfprotokollierung/>
Grafik "Wir speichern nicht" zur freien Verwendung:
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/images/wirspeichernnichtsiegel.png
Anlage: Der Offene Brief an die Datenschutzkonferenz vom 4. Juni im Wortlaut
Sehr geehrte Damen und Herren,
am 26. April 2018 hat Ihre Datenschutzkonferenz eine Positionsbestimmung
zur Anwendbarkeit des TMG für nicht-öffentliche Stellen ab dem 25. Mai
2018 beschlossen. Danach soll mit Inkrafttreten der
Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) das Telemediengesetz nicht mehr
anwendbar sein. Eine Einwilligung sei jedenfalls erforderlich "beim
Einsatz von Tracking-Mechanismen, die das Verhalten von betroffenen
Personen im Internet nachvollziehbar machen und bei der Erstellung von
Nutzerprofilen".
https://www.ldi.nrw.de/mainmenu_Datenschutz/submenu_Technik/Inhalt/TechnikundOrganisation/Inhalt/Zur-Anwendbarkeit-des-TMG-fuer-nicht-oeffentliche-Stellen-ab-dem-25_-Mai-2018/Positionsbestimmung-TMG.pdf
Wir, der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, fordern eine
Überarbeitung des Positionspapiers unter folgenden Gesichtspunkten:
1. Die Positionsbestimmung gilt laut Titel nur für den
nicht-öffentlichen Bereich. Wir fordern eine Klarstellung, dass das
Telemediengesetz jedenfalls für öffentliche Telemedien weiterhin gilt
und gelten muss. Denn für Datenverarbeitungen im öffentlichen Interesse
dürfen spezifischere nationale Datenschutzbestimmungen beibehalten
werden (Art. 6 Abs. 2 und 3 DSGVO).
2. Auch im nicht-öffentlichen Bereich verdrängt die
Datenschutz-Grundverordnung das Telemediengesetz nur im Kollisionsfall
(beschränkter Anwendungsvorrang). Wir sehen eine solche Abweichung
nicht. Die in der DSGVO geforderte Abwägung zwischen berechtigten
Interessen der Anbieter und den Interessen der Nutzer (Art. 6 Abs. 1 S.
1 Buchst. f DSGVO) kann zu keinem anderen Ergebnis führen als im
Telemediengesetz geregelt. Insbesondere fordern wir von der
Datenschutzkonferenz die Klarstellung, dass Telemedienanbieter das
Internetnutzungsverhalten auch weiterhin nur dort aufzeichnen dürfen, wo
es ausnahmsweise zur Ermöglichung oder Abrechnung ihres Angebots nötig
ist (§ 15 Abs. 1 und 4 TMG), und dass sie soweit zumutbar weiterhin eine
anonyme Nutzung ihrer Angebote zu ermöglichen haben (§ 13 Abs. 6 TMG).
3. Schließlich bitten wir die Datenschutzkonferenz, sich für eine dem
Telemediengesetz entsprechende europäische
Internet-Datenschutzgesetzgebung einzusetzen, die ein spezifisches und
normenklares Verbot der Zwangsidentifizierung und der massenhaften
Protokollierung des Surfverhaltens im Internet gewährleistet. Die
geplante ePrivacy-Verordnung genügt nicht, weil sie im Kern nur für
Telekommunikationsanbieter und -dienste gelten soll und Telemedien
grundsätzlich nicht erfasst.
Details bitten wir Sie in unserer Stellungnahme zum Thema
Surfprotokollierung nachzulesen:
http://webarchiv.bundestag.de/archive/2009/0626/ausschuesse/a04/anhoerungen/Anhoerung_21/Stellungnahmen_SV/Stellungnahme_07.pdf
Begründung:
Das Telemediengesetz schützt Internetnutzer bisher vor einer
Vorratsspeicherung und Verfolgung ihres Surfverhaltens. Dieses Verbot
der Surfprotokollierung ist unerlässlich, weil erfahrungsgemäß nur nicht
gespeicherte Daten sicher vor Datenmissbrauch, Datendiebstahl und
Datenhandel sind (siehe Facebook-Skandal). Meinungsumfragen belegen,
dass Internetnutzer in großer Mehrheit eine Protokollierung ihres
Surfverhaltens ablehnen. Sensible Daten über die Internetnutzung können
selbst höchste Amtsträger erpressbar machen. Die digitale Meinungs- und
Informationsfreiheit ist für unsere Gesellschaft insgesamt so wichtig,
dass sie eines besonderen Schutzes vor Selbstzensur aus Furcht von
Nachteilen bedarf.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur
Vorratsdatenspeicherung (BVerfGE 125, 260) betont: "Maßgeblich für diese
Beurteilung sind insoweit insbesondere etwa die §§ 11 ff. TMG, die die
Diensteanbieter nach dem Telemediengesetz grundsätzlich zur Löschung von
nicht für die Abrechnung erforderlichen Daten verpflichten (vgl. § 13
Abs. 4 Nr. 2, § 15 TMG) und so auch gegenüber privatwirtschaftlichen
Anreizen verhindern, dass die Internetnutzung inhaltlich in allgemeinen
kommerziellen Datensammlungen festgehalten wird und damit
rekonstruierbar bleibt. ... Maßgeblich für die Rechtfertigungsfähigkeit
einer solchen Speicherung ist deshalb insbesondere, ... dass auch die
Speicherung der von ihren Kunden aufgerufenen Internetseiten durch
kommerzielle Diensteanbieter grundsätzlich untersagt ist. ... Dass die
Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert
werden darf, gehört zur verfassungsrechtlichen Identität der
Bundesrepublik Deutschland".
Mit freundlichem Gruß
Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
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