Pressemitteilung des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung,Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Sicherungsanordnung für Verkehrsdaten in der Strafprozessordnung ("Quick Freeze")

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Mo Nov 4 02:44:48 CET 2024


Pressemitteilung des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung einer 
Sicherungsanordnung für Verkehrsdaten in der Strafprozessordnung ("Quick 
Freeze")

Entwurf: 
https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/RefE/RefE_Einfuehrung_Sicherungsanordnung_Verkehrsdaten.pdf?__blob=publicationFile


=== Einleitung

Der Entwurf des Gesetzes für eine anlassbezogene Datenspeicherung (sog. 
"Quick-Freeze"-Verfahren) von unseren Internetverbindungen, 
elektronischen Kontakten und Internet-Bewegungen setzt nicht wie im 
Koalitionsvertrag vereinbart eine sog. "Login-Falle" um, bei der Täter 
gezielt online im Tatort-Portal überführt werden, sondern eben genanntes 
Quick-Freeze-Verfahren mit Speicherung der IP-Adressen. Dieses Verfahren 
ist näher an den Forderungen beispielsweise des Bundesrates nach einer 
flächendeckenden Internet-Vorratsdatenspeicherung.

Quick-Freeze darf keine Daten-Selektion oder Filterung sein 
("rückwirkendes Quick-Freeze"), sondern muss viel mehr ein Startdatum 
einer Daten-Erhebung und -Speicherung sein ("vorwärts gewandtes 
Quick-Freeze").

Eine zentrale Forderung: Die inzwischen betriebsübliche 
7-Tage-Speicherung von IP-Adressen muss explizit abgelöst werden, sonst 
haben wir eine Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertüre für alle.

Wenn ein Richterbeschluss beim vorwirkenden Quick-Freeze ein Startdatum 
zur Speicherung - und nicht zur Filterung - gibt, dann muss der Provider 
mit einer leeren Datenbank quasi TABULA RASA zur Speicherung bei 
Einzelpersonen beginnen. Andernfalls handelt es sich um ein sog. 
"rückwärtsgewandtes Quick-Freeze" und es muss von einer flächendeckenden 
Vorratsdatenspeicherung ausgegangen werden.

=== Vorratsdatenspeicherung durch Sicherungsanordnung mit definierten 
Datum zur Daten-Erhebung statt Daten-Filterung ausschließen!

In dem Gesetzesentwurf soll die "potenzielle Beweisbedeutung" die 
Speicherung von Verkehrsdaten allein schon rechtfertigen. Dieses lässt 
befürchten, dass Staatsanwälte und Amtsgerichte flächendeckend und 
routinemäßig die Kommunikationsdaten sämtlicher Bürger auf Vorrat 
speichern lassen könnten, weil sie für bestimmte Ermittlungsverfahren 
künftig von Nutzen sein könnten.

Im Zuge von Ermittlungen wegen Bandendiebstahls mit wechselnden 
Tatfahrzeugen hat etwa bereits schon die Staatsanwaltschaft Frankfurt 
(Oder) ab 2019 über einen Zeitraum von zwei Jahren die Speicherung 
sämtlicher Kfz-Kennzeichen auf Brandenburger Autobahnen im 
"Aufzeichnungsmodus" angeordnet. Zur Begründung hieß es, nur durch eine 
flächendeckende Vorratsspeicherung könnten "erst später bekannt 
gewordene weitere Fahrzeuge sowie sonstige Ermittlungserkenntnisse" 
zugeordnet werden.

Nach dieser Logik und uferlosen Argumentationen drohen auch totale 
Sicherungsanordnungen für Verkehrsdaten, die jetzt mit dem 
Quick-Freeze-Vorschlag eingeführt werden sollen, zu einer 
flächendeckenden und dauerhaften Vorratsspeicherung von Verkehrsdaten, 
insbesondere Internet-Verkehrsdaten, zu werden. Derart gespeicherte 
Daten bilden dann eine klassische Vorratsdatenspeicherung und stünden 
verfahrensübergreifend für Anfragen zur Verfügung.

Quick-Freeze muss daher auch sicherstellen, dass es keine Ausfilterung 
der Alt-Daten ab einem bestimmten Einfrierdatum aus allen Daten 
darstellt, sondern dass Provider wirklich erst ab dem genannten 
Einfrierdatum beginnen, die Daten zu erheben, und nicht bereits 
gespeicherte Daten von allen nur auf einen Fall bzw. ein Datum beziehen 
bzw. filtern.

Andernfalls wäre es eine Speicherung der Daten von allen Bürger:innen, 
die nur gefiltert auch schon vor dem Quick-Freeze-Datum betrachtet werden.

Nicht akzeptabel sind daher solche Verfahren und Sicherungsanordnungen, 
die jegliche Kennungen und IP-Adressen betreffen, alleine wegen deren 
nie auszuschließender "potenzieller Beweisbedeutung", die dann auf 
bestimmte Personen und Zeiträume fokussiert werden. Quick-Freeze ist 
dann mit einer Vorratsdatenspeicherung gleichzusetzen, wenn es eine 
fokussierte oder ausgefilterte Datenselektion ist. Vorwärts gerichtetes 
Quick-Freeze muss für Provider viel mehr ein Start-Datum der 
Datenspeicherung, und nicht eine Datenselektion von rückwärts 
gerichteten Alt-Daten sein. Dieses berücksichtigt der Gesetzesentwurf 
nicht und bietet daher grosses Missbrauchspotential mit entsprechenden 
rechtlichen Fragestellungen.

Eine Befristung von Sicherungsanordnungen verhindert ihren Missbrauch 
zur Anordnung einer allgemeinen Vorratsdatenspeicherung ebenso nicht. 
Denn es können jederzeit neue Anordnungen im Ausgangsverfahren oder in 
wechselnden anderen Verfahren erlassen werden.

=== Der Arbeitskreis fordert daher (Kurzform):

- IP-Vorratsdatenspeicherung verhindern

- Datenaufzeichnungen ab einem bestimmten, nicht rückwärtsgewandten 
Datum sind durch einen richterlichen Beschluss zu starten

- Es ist ein schwerer Eingriff in die Grundrechte: IP-Daten führen zu 
Verfolgung und Profilbildung von Menschen

- Kinderschutz ohne Massenüberwachung: IP-Vorratsdatenspeicherung ist 
ungeeignet für den Schutz von Kindern

- Vorratsdatenspeicherung hilft nicht für mehr Sicherheit und trifft 
unschuldige Bürger:innen

- Es besteht ein Recht auf vertrauliche Internetnutzung

- Wir fordern Massenüberwachungsfreie Politik

- Die Speicherpraxis der IP-Adressen von Providern über 7 Tage und weit 
darüber hinaus und mit weiteren technischen Verfahren (wie IP-Re-Assign 
und IPV6-Hybrid-Pairing) muss mit der Einführung eines vorwärts 
gerichteten Quick-Freeze gesetzlich geregelt und auch für die 
betriebliche Praxis optional gestellt werden .

- Wir fordern daher eine Umsetzung des Login-Verfahrens wie es im 
Koalitionsvertrag vereinbart ist statt des Quick-Freeze-Verfahrens, das 
ab Start-Datum rückwirkende Daten betrachten kann, nur weil sie 
technisch vorliegen mögen.


Quick-Freeze muss ein ausschließlich vorwärts gewandtes Quick-Freeze 
sein und darf nach Richterbeschluss nicht auf Alt-Daten zurückblicken. 
Erst ab Beschluss-Datum findet die SPEICHERUNG & ERHEBUNG statt, und 
nicht: eine FILTERUNG & FOKUSSIERUNG von bestehenden Alt-Daten. Das ist 
ein zentrales Kriterium, um Quick-Freeze bei definierten Personen von 
der Vorratsdatenspeicherung bei allen zu trennen. Das muss der 
Gesetzentwurf explizit herausstellen, damit ein rückwärtsgewandtes 
Quickfreeze nicht zugleich eine klassische Vorratsdatenspeicherung ist: 
"Quick-Freeze benötigt ein richterlich bestätigtes Start-Datum zur 
Speicherung, das nicht in der Vergangenheit liegt oder Alt-Daten vor dem 
Start-Datum betrachten darf, auch wenn sie betriebsbedingt & technisch 
verfügbar wären." - Ist dieses sog. "rückwärtsgewandte 
Quick-Freeze-Verfahren" nicht explizit im Gesetzestext ausgeschlossen, 
ist das Login-Verfahren wie bislang vereinbart die bessere Wahl!




=== Über den AK Vorrat

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK-Vorrat) ist ein 
bundesweiter Zusammenschluss, der sich gegen die ausufernde Überwachung 
im Allgemeinen und gegen die Vollprotokollierung der Telekommunikation 
und anderer Verhaltensdaten im Besonderen einsetzt. Mitglieder des 
Arbeitskreises sind Bürgerrechtler, Datenschützer und Internetnutzer, 
aber auch Verbände, Organisationen und Initiativen. Sie engagieren sich 
gegen die anlasslose Speicherung persönlicher Daten, für mehr 
Datenschutz, für das Recht auf Privatheit, für unbeobachtete 
Kommunikation und für den Respekt vor der Menschenwürde, besonders für 
das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.



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