[IPK] Palästina: Ein Überraschungsangriff - aber nichts Überraschendes daran

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Fr Okt 13 19:37:32 CEST 2023


Palästina:

Ein Überraschungsangriff – aber nichts Überraschendes daran
Online unter: https://www.inprekorr.de/624-pal-botz.htm

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Für den Frieden, für Palästina, aber nicht an der Seite der Hamas. Für
Demokratie, Gerechtigkeit und Gleichheit.

 

 

Von Dan La Botz

 

 

Der neue Krieg im Nahen Osten zwischen Hamas und Israel ist eine Katastrophe
für alle Menschen in der Region, sowohl Israelis als auch
Palästinenser:innen und vielleicht noch viele mehr. Mehr als 50 Jahre heizte
Israel dem Druckkessel immer mehr ein, bis er schließlich explodierte. Der
schockierende Angriff der Hamas ist die Folge.

 

Der Angriff der Hamas, der Abschuss von Raketen auf zivile Gebiete, die
Ermordung und Entführung von Zivilisten, Männern, Frauen und Kindern ist
eine schreckliche Verletzung des humanitären Völkerrechts. Aber Israels
massive Bombardierung des Gazastreifens – die sich angeblich auf
militärische Ziele konzentriert, aber Wohngebäude, Krankenhäuser und
Moscheen trifft – ist genauso schrecklich. Die israelische Regierung sagt,
sie werde eine vollständige Blockade über den Gazastreifen und die zwei
Millionen Menschen, die dort leben, verhängen – eine skrupellose Handlung.
Sein Verteidigungsminister hat die Palästinenser:innen in der Sprache des
Völkermords als „menschliche Tiere“ bezeichnet und einen Plan angekündigt,
den Krieg nach Gaza zu tragen, was darauf hindeutet, dass es verwüstet
werden soll, was nur in einer Katastrophe enden kann.

 

Obwohl der Guerilla-Angriff der Hamas auf Israel alle überrascht hat, gibt
es nichts wirklich Überraschendes daran. Seit der Zeit noch vor Gründung
Israels haben Zionist:innen die Palästinenser:innen angegriffen, ihnen ihren
Boden genommen und viele von ihnen aus ihren Häusern und aus ihrem Land
vertrieben. Seit 1948 hat Israel die ethnische Säuberung der
Palästinenser:innen fortgesetzt, Land und Wasser beschlagnahmt und einen
Apartheidstaat errichtet, der Araber:innen innerhalb der israelischen
Grenzen zu Bürgern zweiter Klasse macht.

 

Gaza ist ein Gebiet von etwa zwei Millionen Menschen, eines der am
dichtesten besiedelten Gebiete der Welt. Es hat keine Kontrolle über seine
Grenzen und wurde als das größte Gefängnis der Welt bezeichnet. Das ist eine
treffende Beschreibung. Der Gazastreifen, das Westjordanland und
Ostjerusalem – die zusammen den Staat Palästina bilden – stehen seit 1967
unter israelischer militärischer Besatzung. Obwohl Israel sich angeblich
2005 aus dem Gazastreifen „zurückzog“, betrachten Menschenrechtsgruppen und
die Vereinten Nationen Israel immer noch als Besatzungsmacht, die für das
Wohlergehen der Bevölkerung verantwortlich ist, und fordern, dass die
Besatzung beendet wird. Die israelische Besatzung hat zu wiederholten
militärischen Konflikten geführt – und jetzt zu diesem jüngsten gewaltsamen
Angriff.

 

Ich hörte, wie ein Aktivist den Hamas-Angriff mit der Gefängnisrevolte von
Attika [https://en.wikipedia.org/wiki/Attica_Prison_riot] [USA, 1971]
verglich. Das ist kein schlechter Vergleich. Wenn du Gefangene in einen
Käfig steckst und sie folterst, werden sie rebellieren.

 

Obwohl die Sympathien der Linken zu Recht beim palästinensischen Volk waren
und bleiben werden, kann man keine Sympathien für die Hamas haben. Die Hamas
ist eine rechte, religiös-fundamentalistische, nationalistische
Organisation, die sich in dieser Hinsicht nicht so sehr von der derzeitigen
Regierung Israels unterscheidet. Die Politik der Hamas bringt dem
palästinensischen Volk oder der Region nichts Gutes. Widerstand gegen
Unterdrückung mit legitimen Mitteln ist natürlich gerechtfertigt. Aber der
Angriff, der gerade auf Israel gestartet wurde, beinhaltete schreckliche
Kriegsverbrechen. Darüber hinaus war er ein strategischer Fehler, da er, wie
man hätte vorhersehen können, mit ziemlicher Sicherheit zu massiven und
ebenso unmenschlichen israelischen Massakern an palästinensischen
Zivilist:innen führen und auch einen breiteren Krieg im Nahen Osten auslösen
könnte.

 

Seit Jahrzehnten stehen die demokratischen Linken entweder für eine Ein-
oder eine Zwei-Staaten-Lösung auf der Grundlage einer demokratischen
säkularen Regierung (oder Regierungen) in Israel/Palästina, in der alle
Menschen gleiche Rechte haben. Obwohl beide Visionen für die Region im
Moment unglaublich utopisch erscheinen, kann nur eine Bewegung, die für
einen säkularen, demokratischen Staat arbeitet, einen Weg nach vorne bieten.
In der Zwischenzeit sollte sich die Linke weiter gegen die israelische
Regierung stellen und verlangen, dass die US-Regierung aufhört, sie mit
Milliarden für Waffen zu versorgen.

 

Die Linke muss an der Seite Palästinas stehen. Aber das bedeutet nicht, an
der Seite der Hamas zu stehen.

 

 

10. Oktober 2023

 

Übersetzung aus dem Englischen: B. Mertens

 

Quelle: International Viewpoint
[https://internationalviewpoint.org/spip.php?article8275], Foreign Policy in
Focus [https://fpif.org/a-surprise-attack-but-nothing-surprising-about-it/].

 

Dan La Botz ist ein langjähriger sozialistischer Aktivist, Pädagoge und
Schriftsteller. Er war Gründungsmitglied der Teamsters for a Democratic
Union (TDU) und Autor von /Rank-and-File Rebellion: Teamsters for a
Democratic Union/ (1991). Er ist Mitglied von Solidarity und Mitherausgeber
von /New Politics/.

 

 

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Aus: die internationale (Online-Ausgabe) Nr. 6/2023 

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