[IPK] Geschichte: Sozialistische Politik 1954-1966
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Geschichte:
Sozialistische Politik 1954–1966
Online unter: https://www.inprekorr.de/634-sopo.htm
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[Redaktionelle Vorbemerkung
Vor 70 Jahren, am 15. September 1954, erschien – zunächst noch unter dem
Namen /Der Sozialist/ – die erste Ausgabe einer ungewöhnlichen linken
Zeitung. Sie wurde bald in /Sozialistische Politik/ (SOPO) umbenannt. Der
Autor des nachfolgenden Textes, unser Genosse Willy Boepple (1911–1992),
spielte in der Redaktion der SOPO eine zentrale Rolle.
H. N., 31. Juli 2024.]
Von Willy Boepple
Im März 1954 stimmte der Bezirksparteitag der Kölner SPD für die Annahme des
von den Jungsozialisten eingebrachten „Kölner Manifests“. Es wandte sich
gegen die weitere Rechtsentwicklung der SPD, gegen den Verzicht auf eine
sozialistische Zielsetzung (vertreten durch den „Ballastabwerfer“ Carlo
Schmid), gegen den immer aggressiver werden Antikommunismus, gegen die
bürokratische Diktatur in der UdSSR und deren Glacisländern und setzte sich
ein für internationale Solidarität mit der Kolonialrevolution. Das Manifest
fand bei der Linken bis hinein in die Reihen der SPD und der Gewerkschaften
ein gewisses Echo. Unter anderem meldete sich aus Bovenden Arthur von Behr,
Besitzer einer kleinen Druckerei, ehemaliges SAP-Mitglied, der sich später
als verkappter Anhänger der KPD/SED entpuppte. Er schlug vor, ein linkes
Blättchen zum Selbstkostenpreis zu drucken und als Herausgeber zu fungieren.
Die Redaktion sollte von den Verfassern des „Kölner Manifests“ und von ihnen
zu benennenden anderen Linken gebildet werden.
Als politische Minimalplattform diente das „Kölner Manifest“. Als
innenpolitische Aufgaben der Zeitschrift wurden festgelegt: kritische
Beobachtung, Kommentierung und – in Fällen progressiver Entscheidungen –
Unterstützung der SPD und der Gewerkschaften, kritische Solidarität mit der
SPD-Linken und linken Gewerkschaftern, für die Stärkung der
innergewerkschaftlichen Demokratie, Kampf für die Verbesserung des
Betriebsverfassungsgesetzes, Mitbestimmung als Hebel zum Kampf um das
Fernziel „Arbeiterkontrolle“, gegen Remilitarisierung, gegen
Wiederaufrüstung und Antikommunismus.
Die außenpolitische Orientierung wurde bestimmt durch den politischen Kampf
gegen die Vorherrschaftsansprüche der USA im Westen und der UdSSR in den
Volksdemokratien (bei gleichzeitiger kritischer Solidarität mit den
„sozialistischen“ Ländern) und durch die bedingungslose Unterstützung der
Kolonialrevolution.
Der nach der Trennung von /Pro und Contra/
[https://de.wikipedia.org/wiki/Pro_und_contra_%28Zeitschrift%29] (eine
periodische Berliner linke Publikation, die zeitweise für pluralistische
linke Positionen geöffnet war, sich in entscheidenden Fragen aber dann doch
als ein vermutlich von der SED finanziertes Projekt erwies) verbliebene
Redaktionsstamm, fast ausschließlich Trotzkisten, nahm Verbindung auf mit
bekannten Linken (so Theo Pirker, Wolfgang Abendroth, Siegfried Braun, Peter
von Oertzen und anderen) mit dem Vorschlag, gemeinsam mit den Trotzkisten
ein linkes, unabhängiges Organ zu schaffen und eine Redaktion zu bilden. Die
Bemühungen hatten Erfolg. Es gelang, eine Redaktion aus folgenden
Mitgliedern zusammenzubringen: Wolfgang Abendroth, Siegfried Braun, Willy
Boepple, Erich Gerlach (SPD-Abgeordneter im niedersächsischen Landtag),
Georg Jungclas, Theo Pirker, Peter von Oertzen. Gespräche mit prominenten
linken Gewerkschaftern führten zu dem Ergebnis, daß einige von ihnen die
SOPO (wenn auch in bescheidenem Maße) finanziell unterstützten oder
Versammlungs- und Schulungsräume für Referate zur Verfügung stellten. Zu
diesem Kreis gehörten in mehr oder weniger loser Verbindung Fritz
Strothmann, Willy Bleicher, Jakob Moneta, Hans Wischnewski (alle IG Metall),
der DGB-Vorsitzende von Bayern, Linsert, Harry Ristock (Berlin), Heinz
Ruhnau (Hamburg) und andere.
DER SOZIALIST
Ständige Mitarbeiter waren (zu verschiedener Zeit) Ernest Mandel (alias
Pierre Gousset, Germain, Sprenger), Berthold Scheller, Jürgen Seifert
(allerdings nur kurze Zeit), Jakob Moneta, Rudolf Segall, um nur einige zu
nennen. Die Bemühungen, Leo Kofler als ständigen Mitarbeiter zu gewinnen,
blieben erfolglos. Immerhin erschien im November 1955 im „Verlag
Sozialistische Politik“ eine umfangreiche Broschüre von Kofler,
„Marxistischer oder ethischer Sozialismus“.
Die meisten der Genannten waren bereits feste oder gelegentliche Mitarbeiter
der Redaktion von /Pro und Contra, /dessen „Vertriebsorganisation“, soweit
dieser Ausdruck anwendbar ist, zum großen Teil übernommen wurde.
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Die erste Nummer des Blattes erschien am 15. September 1954 unter dem Namen
/Der Sozialist/. Der Vertrieb erfolgte hauptsächlich über im Vorfeld der SPD
und der Gewerkschaften entstandene linke Arbeitskreise, etwa die
„Marxistischen Arbeitskreise“ in der SPD, bei den Jungsozialisten und bei
den Falken, sowie im linken Milieu der Gewerkschaften. Die Auflage betrug
circa 1200, davon etwa 800 bis 900 für Abonnements und Verkauf. Der Rest
wurde entweder bei bestimmten Anlässen (wie Partei- oder Gewerkschaftstagen)
an bestimmte Adressaten verschickt oder auf politischen und
gewerkschaftlichen Veranstaltungen verteilt, im günstigsten Fall verkauft.
SOPO erschien jeden Monat. Bemühungen, ein 14-tägiges Erscheinen zu
erreichen, scheiterten an den materiellen Bedingungen. Die finanzielle und
personelle Situation war und blieb schwierig. Zu Beginn des Jahres 1957
erfolgte die Trennung von von Behr, dessen stalinistisch gefärbte Ansichten
immer deutlicher hervortraten. Es gab Vermutungen, daß von Behr im Auftrag
oder in einer irgendwie gearteten Zusammenarbeit mit der SED/KPD das Ziel
verfolgte, die SOPO auf eine quasi neutralistische Linie bringen. Seine
politische Haltung, die sich schon bald als unvereinbar mit der politischen
Linie der SOPO erwies, machte eine weitere Zusammenarbeit unmöglich. Nach
der Trennung von ihm mußte die SOPO im Lohndruck hergestellt werden. Die
unvermeidliche Folge war eine Verschärfung der finanziellen Misere. Nur
durch große materielle Opfer einiger Genossen und gelegentliche kleine
Spenden von prominenten Sympathisanten konnte die SOPO einigermaßen über
Wasser gehalten werden.
Die monatlichen Redaktionssitzungen wurden unter großen organisatorischen
und technischen Schwierigkeiten durchgeführt. Meist traf man sich in
Frankfurt in einem Lokal, mitunter in einer Wohnung. Auch Köln und
gelegentlich Marburg dienten als Sitzungsorte. Marburg vor allem, um die
Teilnahme von W. Abendroth zu sichern.
Der Mitarbeiterkreis wurde im Laufe der Jahre kleiner. Theo Pirker,
Siegfried Braun und Peter von Oertzen zogen sich zu Beginn der 60er Jahre
allmählich zurück. Ab Godesberg war die Arbeit an der SPD-Basis immer
schwieriger geworden. Hingegen zeigten die gewerkschaftlichen Kontakte der
SOPO – verstärkt durch die im Jahre 1961 geschaffene Beilage „Betrieb und
Gewerkschaft“ – eine gewisse Stabilität, nicht zuletzt durch eine gute Basis
in einigen wenigen Großbetrieben.
Die trotzkistischen Mitglieder der Redaktion sahen in der SOPO das geeignete
Organ für ein politisches Hineinwirken in die SPD und in die Gewerkschaften.
Aber die SOPO sollte ursprünglich nach ihren Vorstellungen nur mittelbar ein
„entristisches“ Organ sein. Die Trotzkisten vertraten in der Redaktion ihre
politischen Positionen ebenso offen wie Theo Pirker, Peter von Oertzen oder
Wolfgang Abendroth die ihren.
FUSION MIT EXPRESS INTERNATIONAL
Resignation und Anpassung begannen sich auch in der redaktionellen Arbeit
und Zusammensetzung des Mitarbeiterstabes auszuwirken. Es wurde von Jahr zu
Jahr schwieriger, Autoren zu finden, vor allem Autoren, die keine
Trotzkisten und bereit waren, zu aktuellen innenpolitischen Themen etwas zu
schreiben. So wurde die SOPO gegen den Willen der Trotzkisten zu einem fast
ausschließlich von ihnen herausgegebenen und geschriebenen Blatt. Das führte
letzten Endes zu dem Entschluß, das Blatt aufzugeben und eine Fusion mit
/express international/ zu vollziehen.
Zum Zeitpunkt der Vereinigung mit /express/ – im November 1966 – bestand die
Redaktion der SOPO aus folgenden Mitgliedern: W. Abendroth, H. Dahmer, H.
Grzeski, Anton Hessler [d. i. R. Segall], Paul Neiß [d. i. J. Moneta],
Berthold Scheller, Peter Schuh und Walter Steen [d. i. G. Jungclas]. (Auch
in dieser Aufzählung finden sich noch einige Pseudonyme.) Der Artikel, mit
dem sich die Redaktion der SOPO von ihren Lesern verabschiedete und der sich
wie ein „entristisches Vermächtnis“ liest, wurde ebenfalls von einem
Trotzkisten geschrieben. [1]
Immerhin hat die SOPO als einziges unabhängiges linkes Blatt 12 Jahre
überdauert, eine Insel im Meer des Antikommunismus, der „Liberalisierung“
und Entpolitisierung der organisierten Arbeiter und Angestellten. Anderen
linken Blättern oder Blättchen, wie der von Viktor Agartz [2]
herausgegebenen, sehr lesenswerten /WISO, /der /Arbeiterpolitik,
/herausgegeben von Theo Bergmann (Gruppe Arbeiterpolitik) und den /Funken/
von Fritz Lamm (Stuttgart) [3] ist schon früher der Atem ausgegangen. (Die
/Funken/ hatten bereits im August 1959 ausgefunkt.)
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Zur /WISO/ gab es gewisse Kontakte über Theo Pirker, auch ließ Agartz sich
ab und zu herbei, der SOPO ein Scherflein zukommen zu lassen. Die Verbindung
zu [den] /Funken/ und Fritz Lamm, die mehr von allgemeiner Solidarität als
von politischer oder taktischer Gemeinsamkeit getragen war, blieb ohne
Relevanz. Das Verhältnis zur /Arbeiterpolitik/ war und blieb, wegen der
stalinoiden und ziemlich unbeweglichen politischen Haltung ihrer Träger,
trotz guter persönlicher Beziehungen, immer recht kühl bis skeptisch.
KALTER KRIEG UND WIRTSCHAFTSWUNDER
In der Geburtsstunde der SOPO war die politische Landschaft gekennzeichnet
durch eine zunehmende wirtschaftliche und politische Konsolidierung und
Kräftigung des deutschen Kapitalismus und seines Großbürgertums (die
prominenten Wehrwirtschaftsführer und Wirtschaftskapitäne des „Dritten
Reiches“ waren an die Hebel wirtschaftlicher Macht zurückgekehrt). Mit dem
im Gefolge des Koreakrieges beginnenden wirtschaftlichen Aufschwung – dem
deutschen „Wirtschaftswunder“ – stieg der Lebensstandard, die
Entpolitisierung der Arbeiterschaft wuchs, die Gewerkschaften tendierten,
zumindest in ihrer Praxis, zur „Sozialpartnerschaft“, und die SPD driftete
immer weiter nach rechts. Dem stand zu Anfang der 60er Jahre eine zunehmende
Radikalisierung der Jugend, insbesondere der akademischen, gegenüber, die
immer mehr durch ausgesprochene Traditions- und Organisationsfeindlichkeit
geprägt war (die Parteien haben alle versagt; trau' keinem über 30; die
Arbeiterklasse ist kein potentieller politischer Faktor mehr).
Auf internationaler Ebene bestimmte der „Kalte Krieg“ die Beziehungen
zwischen den beiden Supermächten und ihrem Gefolge. Der Sieg der
chinesischen Revolution, der gegen die politischen Ziele Stalins und der
KPdSU errungen wurde, und der Abfall Jugoslawiens von Moskau kündigten den
Zerfall des absoluten Herrschafts- und Führungsanspruchs der UdSSR und der
KPdSU im „sozialistischen Lager“ an. Der Koreakrieg endete mit einem Patt
und der Teilung des Landes (1953). In der Periode des allmählich wachsenden
Konsensus zwischen den USA und der UdSSR (Anerkennung von Einflußsphären)
entfaltete sich die Kolonialrevolution. Ihre markantesten Zeichen setzte sie
in Dien Bien Phu und in dem Beginn des Befreiungskriegs in Algerien (1954).
Die Suezkrise bezeichnete mit der Demonstration der Ohnmacht der „alten,
kleinen“ kapitalistischen Mächte das unübersehbare Ende einer überholten
Form imperialistischer Herrschaft.
Die von den Gewerkschaften halbherzig geführte Auseinandersetzung um den
Inhalt des Betriebsverfassungsgesetzes bescherte den Arbeitnehmern die
zweifelhafte Frucht der Mitbestimmung im Montanbereich, die sich weitab von
der betrieblichen Praxis etablierte und ihre Mandatsträger korrumpierte.
Die SOPO hat sich in vielen Artikeln mit dem Problem der Mitbestimmung
auseinandergesetzt. Ein Grundsatzartikel von Georg Jungclas, der im April
1966 erschien und sich sehr gründlich mit dieser Frage befaßte [4], diente
in einigen unteren und mittleren Organisationsebenen der IG Metall und der
IG Textil in Bayern als Schulungsmaterial. These des Artikels: Die
Mitbestimmung soll Hebel zum Fernziel „Arbeiterkontrolle der Produktion“
werden.
Mit der Niederlage der Arbeiterbewegung im Kampf gegen die Remilitarisierung
– 1956 Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht, 1955 Aufnahme der BRD
in die NATO – und mit dem Beginn des Aufbaus der Bundeswehr unter Strauß als
Verteidigungsminister (1956) war eine Zäsur gesetzt, die ihre beinahe
logische Krönung im symbolisch zu wertenden Verbot der KPD fand (1956). Der
Antikommunismus feierte wahre Triumphe.
Die Entwicklung der DDR zum „ersten sozialistischen Staat auf deutschem
Boden“ verlief beinahe zwangsläufig in Richtung einer permanenten
„Entfremdung“ der beiden Teile Deutschlands. Jeder Zug der Westmächte zur
Integration der BRD in das westliche Wirtschafts- und Paktsystem wurde von
der UdSSR mit einem Gegenzug beantwortet. Nachdem die SPD die große Chance,
eine Wende zu erzwingen und das Wiedervereinigungsangebot Stalins zum
Kernstück einer aktiven Anti-Adenauer-Deutschlandpolitik zu machen, nicht
nur versäumt, sondern sabotiert hatte, war die historische Entscheidung
gefallen (SOPO, Juni 1955: „Ollenhauer muß nach Moskau“
[https://www.mao-projekt.de/BRD/VLB/SoPo/SoPo_19550600_06.shtml]; Juli 1955:
„Einzige Chance – deutsche Neutralitätspolitik“
[https://www.mao-projekt.de/BRD/VLB/SoPo/SoPo_19550700_07.shtml]).
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[Bild herunterladbar unter https://www.inprekorr.de/img/SoPo_1966_320.jpg]
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Die massenhafte Abwanderung von DDR-Bürgern nach dem Westen Deutschlands
wurde zu einem ernsthaften Problem für den Wiederaufbau der DDR. Das
Ulbricht-Regime „löste“ dieses Problem durch die Errichtung von Sperrzonen
und Stacheldrahtzäunen entlang der Grenze zur BRD (1952); ein Jahrzehnt
später (1961) wurde die Berliner Mauer gebaut.
1953 durchbrach die gärende Unzufriedenheit die Dämme der bürokratischen
Diktatur, wahrscheinlich begünstigt durch Fraktionskämpfe innerhalb der
russischen Führung. Es kam zu dem von russischen Truppen niedergeschlagenen
Juni-Aufstand in Berlin und vielen anderen Städten der DDR. Das Jahr der
durch die russische „Bedrohung“ beschleunigten Aufnahme der Bundesrepublik
in die NATO (1955) war auch das Jahr der Aufstellung der Volksarmee in der
DDR und ihrer Eingliederung in den neu geschaffenen Warschauer Pakt.
Man muß diesen kleinen Ausschnitt aus der Nachkriegsgeschichte Revue
passieren lassen, um sich eine wirklichkeitsnahe Vorstellung von der
politischen Großwetterlage und dem politisch-moralischen Druck zu machen,
unter dem die Redakteure, Mitarbeiter und Verteiler der SOPO standen. Wurde
in der SOPO eine Lanze für den Sozialismus gebrochen, so kam von „drüben“
eine Hiobsbotschaft nach der anderen. Wurde die DDR als grundsätzlich
progressive Gesellschaftsformation verteidigt, so folgte ein Schlag gegen
die oppositionelle Linke in der SED. Wurde der Kapitalismus trotz deutschem
Wirtschaftswunder als krisenanfällige und inhumane Gesellschaft des
Klassenkampfes und der sozialen Ungleichheit denunziert, so gewann infolge
des permanent steigenden Lebensstandards die Sozialpartnerschaft in der
Politik der Gewerkschaftsführung ständig an Boden. Wurde der Imperialismus –
insbesondere der amerikanische – wegen seiner aggressiven Großmachtpolitik
der Kriegstreiberei [beschuldigt] und wurden seine kriminellen
Geheimdienstaktivitäten in der Dritten Welt von der SOPO angegriffen, so
marschierten die Truppen der UdSSR [1956] in Ungarn ein, um die
rätedemokratische Revolution niederzuschlagen und so weiter und so fort.
Die SOPO war bemüht, trotz des bescheidenen Umfangs ihrer 12 Seiten und der
Dürftigkeit ihrer redaktionellen und finanziellen Mittel die Ereignisse
kritisch zu kommentieren, wobei es galt, Prioritäten zu setzen, um
einerseits der Aktualität und andererseits der gestellten Aufgabe gerecht zu
werden.
Die von der SOPO in den ersten Jahren ihres Bestehens behandelten Themen
geben, wie das bis 1961 vorliegende Register [5] zeigt, ein recht
anschauliches Bild von der journalistischen Arbeit der SOPO-Redaktion und
ihrer Mitarbeiter sowie von der Gewichtung der Thematik: Es gab überwiegend
innenpolitische Themen, ohne daß die internationale Politik dabei zu kurz
kam.
FÜR DIE SPD- UND GEWERKSCHAFTSKADER
Die Zielgruppe, für die die SOPO in erster Linie geschrieben wurde, waren
die unteren und mittleren Funktionärskader der SPD und der Gewerkschaften
sowie Betriebsräte und Vertrauensleute in Großbetrieben.
Die Beschlüsse des Godesberger Parteitags der SPD von 1959 stellten der
politischen und taktischen Arbeit der SOPO immer größere Hindernisse in den
Weg. Dennoch setzte die SOPO ihren Widerstand gegen die Entpolitisierung der
Arbeitnehmer und gegen die Verteufelung des Sozialismus-Kommunismus fort.
Die Unvereinbarkeitserklärung [der SPD] gegen den SDS (1961) und die Bildung
der Großen Koalition [aus CDU/CSU und SPD] (1966) gaben der
Organisationsfeindlichkeit der radikalen Jugend weitere Nahrung und
erschwerten es der SOPO, auf diesen politisch besonders wichtigen Teil der
Jugend einen ins Gewicht fallenden Einfluß zu gewinnen. Dennoch gab es
persönliche und auch einige „offiziöse“ Verbindungen zu führenden Kadern des
SDS. Im Zweifel über die weitere Entwicklung des SDS, aus dem Bedenken, ob
ein eventuelles Engagement der SOPO für den SDS das Opfer zu erwartender
Sanktionen von Seiten der SPD und der Gewerkschaften aufwiegen würde, und
nicht zuletzt aus dem Wissen um die Existenz von Querverbindungen einiger
einflußreicher Personen innerhalb der SDS-Führung zu stalinistischen Kreisen
(bis in die Führungsetagen der SED) konnte sich die Mehrheit der Redaktion
nicht dazu entschließen, die Politik des SDS offiziell gegen die SPD zu
verteidigen, wenn sie auch den Unvereinbarkeitsbeschluß scharf kritisierte
und als undemokratisches, administratives Manöver zurückwies. Als eine Geste
der Solidarität mit den als positiv eingeschätzten Kräften des SDS erklärten
W. Abendroth und G. Jungclas öffentlich ihre Solidarität mit dem SDS. Beide
wurden daraufhin aus der SPD ausgeschlossen.
Im Dezember 1966 verabschiedete sich die SOPO-Redaktion von ihren Lesern.
[Aus: /Links/, 12. Jg., Nr. 118 von Januar 1980, dort unter dem Titel
„Sozialistische Politik 1951(!)–1966“ abgedruckt. Signatur: Willy Boepple.
Der Text wurde mit dem Manuskript verglichen, das sich im Nachlaß Willy
Boepples befindet, und ist – mit Anmerkungen – wieder veröffentlicht worden
in: Wolfgang Alles (Hg.), /Gegen den Strom/, Texte von Willy Boepple
(1911–1922), Köln 1997, S. 125 ff. Die damalige Schreibweise wurde
beibehalten.]
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Aus: die internationale (Online-Ausgabe) Nr. 5/2024
Nachdruck gegen Quellenangabe und Belegexemplar erwünscht
Bestellungen: die internationale, Regentenstr. 57-59, 51063 Köln
E-Mail: vertrieb(at)inprekorr.de
Einzelheft: 5 EUR; Schnupperabo: Ein halbes Jahr für 10 EUR
Jahresabo: 25 EUR (Inland), 15 EUR (ermäßigt), E-Abo 50%
Artikel im Internet: https://www.inprekorr.de
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[1] [Vgl. „Vereinigung ‚Sozialistische Politik‘ – ‚Expreß International‘“
[https://www.mao-projekt.de/BRD/VLB/SoPo/SoPo_19661200_11_12.shtml]; in:
SOPO, 13. Jg., Nr. 11/12 von November/Dezember 1966.]
[2] [Viktor Agartz (1897–1964), führender marxistischer
Gewerkschaftstheoretiker nach 1945. 1956 aus dem Gewerkschaftsapparat
gedrängt, Gründung der Zeitschrift /WISO./ 1957 wegen
„verfassungsfeindlicher“, „kommunistischer“ und „landesverräterischer“
Betätigung verhaftet und angeklagt, Freispruch durch den Bundesgerichtshof.
1959 aus der SPD ausgeschlossen.]
[3] [Fritz Lamm (1911–1977), Verlagsangestellter. 1929 SAJ, 1931 SAP. Nach
1933 wegen seiner Widerstandstätigkeit mehrfach verhaftet. 1936 Flucht ins
Ausland. 1948 Rückkehr nach Deutschland, SPD-Beitritt. Seit 1951 maßgeblich
an der Herausgabe der /Funken/ beteiligt. 1963 aus der SPD ausgeschlossen.]
[4] [Im April 1966 erschien kein derartiger Text. Vermutlich handelte es
sich um den mit Walter Jung gezeichneten Artikel „Die Mitbestimmung“
[https://www.mao-projekt.de/BRD/VLB/SoPo/SoPo_19620800_08.shtml]; in SOPO,
9. Jg., Nr. 8 von August 1962.]
[5] [Das Register wurde offenbar von Willy Boepple selbst erstellt.
Manuskript im Nachlaß.]
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