[IPK] USA: Was beschert Trump dem Nahen Osten?

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Do Dez 12 10:57:38 CET 2024


USA:

Was beschert Trump dem Nahen Osten?
Online unter: https://www.inprekorr.de/638-usa-ga.htm

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Benjamin Netanjahu hatte sehnsüchtig auf diesen Sieg gehofft und alles
getan, um dazu beizutragen, sei es, indem er seine rechten Verbündeten in
den USA mobilisierte oder einen Waffenstillstand in Gaza blockierte, den Joe
Biden und die Demokraten sich zur Unterstützung ihres Wahlkampfes erhofft
hatten. Was also erwartet uns jetzt, nachdem Trumps Rückkehr ins Weiße Haus
feststeht?

 

 

Von Gilbert Achcar

 

 

Trumps Sieg für das Amt des US-Präsidenten ist eine große Katastrophe für
die Völker der Region, zusätzlich zu der gewaltigen Nakba, die seit der von
der Hamas geführten "Al-Aqsa-Flut" tobt. 

 

Nach den vorliegenden Informationen und gemessen an Trumps Verhalten während
seiner ersten Amtszeit, seinen Äußerungen im Wahlkampf und dem, was aus
seinem Umfeld durchgesickert ist, wird er bestrebt sein, als ein Macher
aufzutreten, der "Frieden" schafft, im Gegensatz zu Biden, der den Krieg nur
hinausgezögert hat und nicht in der Lage ist, Konflikte zu lösen. Auch wenn
Trump versucht, Kriege zu beenden, die nicht im Interesse der USA seien,
geht es ihm in erster Linie darum, seine Interessen durchzusetzen. Während
er einerseits in seiner ersten Amtszeit mit den Taliban über den Abzug der
US-Streitkräfte aus Afghanistan verhandelte und auf Wunsch des türkischen
Präsidenten Erdoğan die militärische Absicherung der Kurden in Syrien
beenden wollte, trat er andererseits für die Aufrechterhaltung der
militärischen Präsenz der USA im Irak ein und signalisierte damit sein
unverhülltes Interesse am Ölreichtum des Landes.

 

Und obwohl er partout ein "Jahrhundertabkommen" zu Palästina einfädeln
wollte, war der von ihm vorgeschlagene "Friedensvertrag" so ungerecht, dass
selbst Mahmud Abbas ihn ablehnte, während Netanjahu begeistert einschlug,
weil ihm klar war, dass niemand auf palästinensischer Seite die Bedingungen
eines solchen "Abkommens" akzeptieren würde. Netanjahu hoffte also, dass mit
einer Ablehnung dieses "großzügigen" Angebots der Weg für die Annexion des
Westjordanlandes durch den zionistischen Staat frei würde.

 

Hinzu kam, dass Trump die traditionelle Haltung der US-Administration im
Nahostkonflikt zugunsten Israels aufgegeben hat, sei es, indem er die
Annexion der besetzten syrischen Golanhöhen durch Israel billigte oder die
US-Botschaft nach Jerusalem verlegte und das US-Konsulat für die seit 1967
besetzten Gebiete schloss, alles Maßnahmen zur Unterstützung des
zionistischen Expansionismus. Ganz zu schweigen von seinem Einverständnis
mit Israels Haltung gegenüber dem Iran, seinem Rückzug aus dem Atomabkommen,
das die Regierung unter Barack Obama nach langen und schwierigen
Verhandlungen mit Teheran geschlossen hatte, und der offenen Provokation
durch die Ermordung von Qasem Soleimani, dem Kommandeur der Quds-Einheit der
iranischen Revolutionsgarden, etc. 

 

Trump hat kein Interesse daran, die Ukraine zu unterstützen, und würde
lieber eine Vereinbarung mit Wladimir Putin zum Wohle des russischen
Präsidenten treffen, den er für seine reaktionären Positionen bewundert,
während er zugleich dort investieren möchte. Ein Bündnis mit den
europäischen Ländern scheint ihm sinnlos, es sei denn, sie machen den USA
mehr wirtschaftliche Zugeständnisse und erhöhen ihr militärisches
Engagement, v. a. in Hinblick auf den Konflikt der USA mit China, das Trump
als Amerikas Hauptkonkurrenten sieht (wobei die Feindschaft zu China zu den
ideologischen Grundfesten der von ihm geführten imperialistischen Rechten in
den USA gehört).

 

Gleichzeitig ist es kein Geheimnis, dass für Trump das Öl und die
Petrodollars der arabischen Golfmonarchien im obersten Interesse der USA
liegen und er dabei den zionistischen Staat als unschätzbaren Verbündeten
betrachtet, weil er als Wachhund dieser Interessen dient. Das liegt daran,
dass seine persönlichen und familiären Belange an erster Stelle unter den
Interessen im weiteren Sinn rangieren, während die "US-Interessen" in ihrem
engsten und unmittelbarsten Sinne verstanden werden. Und diese Interessen
bestimmen Trumps Verhalten, zusätzlich zu dem Wunsch, den primitivsten
Instinkten der Öffentlichkeit zu schmeicheln (was man allgemein als
"populistisch" oder "demagogisch" bezeichnet) und sonst nichts.

 

Es ist daher zu erwarten, dass er die Position der Biden-Regierung zum
Libanon beibehalten wird, d. h. den laufenden Krieg zu Bedingungen zu
beenden, die Israel zufriedenstellen. Dies soll auf der Grundlage des
Rückzugs der Hisbollah-Truppen aus in der Resolution 1701 des
UN-Sicherheitsrats von 2006 festgelegten Gebiets im Norden und deren
schrittweisen Ersetzung sowie auch der Ersetzung der israelischen
Besatzungstruppen durch die reguläre libanesische Armee erfolgen. Dabei soll
unter Aufsicht der USA gewährleistet werden, dass die Hisbollah nicht in das
oben genannte Gebiet zurückkehrt und dass ihr Raketenarsenal nicht vom Iran
über syrisches Hoheitsgebiet hinweg wiederaufgestockt wird.

 

Dies würde mit einer Stärkung der libanesischen Armee und einer möglichen
Änderung des Kräftegleichgewichts im Libanon einhergehen, sodass der von den
USA dominierte libanesische Staat über die vom Iran dominierte Hisbollah
siegen könnte. Der Abschluss eines solchen Abkommens ist jedoch derzeit von
der Zustimmung des Irans abhängig, der dieses nach wie vor ablehnt, damit
die Hisbollah weiter im Gefecht bleibt und somit in eine mögliche
Konfrontation zwischen dem Iran und der amerikanisch-israelischen Allianz
involviert ist.

 

Netanjahu ist davon überzeugt, dass Trump eher bereit sein wird, sich auf
eine solche Konfrontation einzulassen, als Biden. Er hat bereits einen
Vertreter entsandt, um mit Trump über die nächsten Schritte gegenüber dem
Iran zu verhandeln. Trump wird sich auch mit seinen Freunden am Golf
beraten, die trotz ihrer diplomatischen Töne gegenüber Teheran und ihrer
Sympathiebekundungen für die Menschen in Gaza auf einen entscheidenden
Schlag gegen den Iran hoffen. Die Attitüde dient nur dazu, einer möglichen
Eskalation des Irans im Palästina-Konflikt entgegenzuwirken und Teheran dazu
zu bringen, ihre Ölanlagen zu verschonen, denen Teheran einen Schlag
angedroht hat, falls seine Atomanlagen angegriffen werden. Die
Wahrscheinlichkeit eines gemeinsamen amerikanisch-israelischen Angriffs auf
den Iran ist mit der Rückkehr Trumps ins Weiße Haus enorm gestiegen. Er wird
sicherlich versuchen, die Hegemonie der USA über die Golfregion wieder zu
stabilisieren, die unter Obama und Biden gelitten hat.

 

Für Palästina wird Trump wahrscheinlich Israels offizielle Annexion eines
großen Teils des Westjordanlands und des Gazastreifens (insbesondere dessen
nördlichen Teils, wo derzeit eine "ethnische Säuberung" durch die
zionistische Armee durchgeführt wird) unterstützen, damit es seine
Siedlungen im Westjordanland ausweiten und in Gaza wieder errichten kann.
Israel wird auch die strategischen Korridore behalten, um die dann noch
verbleibenden Siedlungen der palästinensischen Bevölkerung in den beiden
besetzten Gebieten kontrollieren zu können.

 

Wie in dem von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner ausgearbeiteten und Anfang
2020 angekündigten "Jahrhundert-Deal" wird das wahrscheinlich auf eine
"Entschädigung" hinauslaufen, bei der die Palästinenser im Austausch für die
ihnen geraubten und offiziell dem israelischen Staatsgebiet angegliederten
Gebiete Teile der Negev-Wüste erhalten sollen. Vor acht Monaten plädierte
Kushner dafür, Israel solle den nördlichen Teil des Gazastreifens übernehmen
und in die Entwicklung seiner "Meeresfront" investieren und die
palästinensischen Bewohner in die Negev-Wüste umsiedeln.

 

Natürlich wird ein solches "Abkommen", das das palästinensische Volk für
dumm verkauft, keinen einzigen ernsthaften Befürworter auf palästinensischer
Seite finden. Die zionistische extreme Rechte wird weiterhin alles daran
setzen, die Nakba von 1948 zu vollenden, indem sie das gesamte
palästinensische Gebiet zwischen dem Jordan und dem Meer annektiert und die
meisten seiner Bewohner vertreibt.

 

 

aus /mediapart/ vom 13.11.24

/Übersetzung: MiWe/

 

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