[IPK] Gaza-Solidarität an schwedischen Unis

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Do Mai 30 10:28:46 CEST 2024


Gaza-Solidarität an schwedischen Unis
Online unter: https://www.inprekorr.de/630-pal-se.htm

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Studierende in Schweden fordern ein Ende der Unterstützung Israels durch
ihre Universitäten.

 

Schweden hatte kaum Zeit, nach Malmös mächtiger Solidaritätsbekundung für
Palästina während der Genozidvision [1] Luft zu holen, bis die nächste Phase
von Protestaktionen das Licht der Welt erblickte. Die globalen
Demonstrationen in Form von Zeltlagern haben nun Schweden erreicht und
finden, während wir dies schreiben, unter anderem in Örebro, Lund, Uppsala,
Göteborg, Karlstad, und in Stockholm an der Universität und der Königlichen
Technischen Hochschule (KTH) statt. 

 

Neben der Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand unterstützen sie
sich auch die wichtigste Kampagne des palästinensischen Widerstands: die
Bewegung für Boykott, Desinvestition und Sanktionen, BDS. Die Student:innen
fordern, dass Universitäten Investitionen in Unternehmen mit Verbindungen zu
Israel abziehen und dass sie die Zusammenarbeit mit israelischen
Universitäten beenden. Stattdessen fordern sie Kooperationen mit
palästinensischen Universitäten und dass die Universitäten Student:innen aus
Gaza unterstützen. Israel hat jede Universität in Gaza zerstört, mindestens
6000 Student:innen getötet und über 80 Prozent aller Schulen zerstört. Dies
wird von den Vereinten Nationen als ein Akt von Scholastizid [2] bezeichnet:
ein bewusster Versuch, palästinensische Bildung und Wissen durch Angriffe
auf Schulen zu vernichten und Schüler:innen und Lehrer:innen zu verletzen,
einzusperren und zu ermorden. 

 

Die Universität Tel Aviv, mit der Uppsala eine Vereinbarung hat, forscht
zusammen mit der israelischen Armee an Militärtechnologie und -strategie.
Der universitätsnahe Think Tank, das Institute for National Security Studies
(INSS), rühmt sich, die „Dahiya“-Doktrin entwickelt zu haben, die
unverhältnismäßige Gewalt und Ermordung von Palästinensern vorschreibt.
Darüber hinaus kooperiert Uppsala mit der Hebräischen Universität von
Jerusalem, die sich in teilweise besetztem Gebiet befindet, und Technion,
die Partneruniversität der KTH, ist tief in Israels
militärisch-industriellen Komplex eingebunden. Es gibt viele Beispiele. Seit
Jahrzehnten beteiligen sich israelische Universitäten an der Planung,
Umsetzung und Rechtfertigung von Besatzung, Apartheid und
Siedlerkolonialismus. Kann jemand die Zusammenarbeit mit solchen
Institutionen verteidigen? 

 

Bei BDS geht es um den Boykott mitschuldiger Institutionen und nicht um den
Boykott von Einzelpersonen oder Austausch in der Wissenschaft, es sei denn,
diese unterstützen offensichtlich Völkermord und Apartheid. Die Sorge, über
die der linke Schriftsteller Somar Al Naher im Aftonbladet schreibt, dass
BDS sie daran hindern würde, progressive Israelis wie Oren Yifthachel zu
treffen, ist daher ungerechtfertigt. Darüber hinaus hat er in einem Artikel
mit 240 anderen jüdischen und israelischen Forschern seine Unterstützung für
BDS und seine drei Ziele zum Ausdruck gebracht: Ende der Besatzung, volle
Rechte für Palästinenser:innen und Rückkehrrecht für die palästinensischen
Flüchtlinge. 

 

Für diejenigen, die die BDS-Seite über die Studierendenproteste
[https://bdsmovement.net/student-solidarity] besuchen, gibt es viele
Informationen, einschließlich der Frage, wie man die Bestrafung von
Einzelpersonen vermeiden kann. BDS ist strikt gegen den Boykott von Personen
aufgrund von Religion, „Rasse“ oder Hautfarbe. Die Kampagne lehnt
Antisemitismus nachdrücklich ab, wie auch der palästinensische Widerstand
und die Solidaritätsbewegung im Allgemeinen. Bekanntlich stehen Jüdinnen und
Juden an der Spitze eines großen Teils der Studentenproteste in den
Vereinigten Staaten und die Gewalt, die stattgefunden hat, hat ihren
Ursprung auf der anderen Seite; wie der Mob an der UCLA in Los Angeles, wo
Israelfreunde und Rechtsextremisten die Student:innen stundenlang angriffen,
bevor die Polizei auftauchte. 

 

Kein Wunder, dass die Israelfreunde Angst vor BDS und den
Studierendenprotesten haben. Fünfzig Universitäten in Spanien, sechs
norwegische Universitäten, die Königliche Akademie der Künste in den
Niederlanden, die Universität Gent in Belgien, die Universität Dublin, das
Evergreen College in den USA, um nur einige zu nennen, haben die Beziehungen
zu Israel abgebrochen oder werden sie abbrechen. Was wir erleben, wurde als
ein möglicher „Südafrika-Moment“ für Israel bezeichnet, der Punkt, an dem
die Apartheid fallen kann. Natürlich müssen sich Sozialist:innen aus ganzem
Herzen den Studierendenprotesten anschließen und Informationen über BDS
verbreiten. Diesen Moment zu verpassen, würde die Tötung der über 14 000
Kinder in Gaza noch unerträglicher machen. 

 

Aber die Proteste rund um Palästina gehen auch Hand in Hand mit der
Klimabewegung und die schwedischen Mobilisierungen injizieren eine dringend
benötigte Dosis Zivilcourage und Verteidigung der Demokratie im heutigen
erschreckenden rechtsregierten [3] Schweden. Die Palästinabewegung ist damit
auch eine Hoffnung für die Linken. 

 

 

Dieser Text erschien am 20.5.2024 als Leitartikel
[https://internationalen.se/ledare/2024/allt-stod-till-studenternas-mobilise
ringar-for-gaza/] der schwedischen Zeitung /Internationalen/

 

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Aus: die internationale (Online-Ausgabe) Nr. 3/2024 

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[1]  Kunstwort aus „Genozid“ und „Eurovision“. Gemeint sind die Proteste
gegen den Auftritt der israelischen Sängerin beim Eurovision Song Contest in
Malmö.

[2]  Kunstwort aus „scholastic“ (schulisch) und „zid“ (Tötung)

[3]  2022 gingen die Mitte-Rechts-Parteien ein Abkommen mit den
rechtsextremen „Schwedendemokraten“ ein, die damit erstmals formalisierten
Einfluss auf die Regierungspolitik erhielten, auch wenn sie nicht Teil der
Regierung sind.

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