[IPK] Vierte Internationale: Unsere Aufgaben für die Befreiung Palästinas

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Mi Nov 5 16:42:43 CET 2025


Palästina:

Unsere Aufgaben für die Befreiung Palästinas
Online unter: https://www.inprekorr.de/648-pal-fi.htm

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Die Unterzeichnung des Trump-Plans und der Beginn seiner Umsetzung werfen
eine Reihe von neuen Fragen auf. Dieser Plan ist, in sehr unterschiedlichen
Formen, eine Fortsetzung der kolonialen und ethnischen Säuberungspolitik;
daher muss die weltweite Bewegung für die Befreiung Palästinas weitergehen.

 

 

Von Büro der Vierten Internationale

 

 

Bei der Analyse des Plans gilt es, zwei karikaturenhafte Fallgruben zu
vermeiden. Die erste wäre, eine extreme Kritik der Situation zu formulieren:
die palästinensischen Unterzeichner:innen sind Verräter:innen, da der Plan
eine Fortsetzung des Völkermords bedeutet. Die zweite wäre das Gegenteil:
Der Waffenstillstand ist ein Sieg für den unaufhaltsamen Widerstand und wird
eine neue Phase der Gegenoffensive einleiten.

 

Die Realität liegt irgendwo dazwischen, zumindest im Moment. Trumps Plan
basiert auf einer kolonialen Vision, verankert ein aus Sicht des
palästinensischen Volkes negatives Kräfteverhältnis und zielt darauf ab,
dessen Widerstandsfähigkeit zu zerschlagen. Aber der Waffenstillstand
ermöglicht, auch wenn er Kolonisierung und ethnische Säuberung fortsetzt,
eine Neuausrichtung des Kampfes, eines Kampfes, der nur gewonnen werden
kann, wenn er jede Komplizenschaft mit dem völkermörderischen zionistischen
Gebilde ablehnt und die Massenmobilisierungen neu belebt.

 

 

DER TRUMP-PLAN

 

Trumps 20 Punkte lauten wie folgt: 1) Entmilitarisierung (eine
„deradikalisierte und terrorfreie“ Zone), 2) Wiederaufbau unter
imperialistischer Herrschaft (Gaza wird „neu entwickelt“), 3) ein Ende der
Kämpfe und die Festlegung einer Waffenstillstandslinie, 4) und 5)
Gefangenenaustausch (die 48 „Geiseln“, lebend oder tot, im Austausch gegen
250 zu lebenslanger Haft verurteilte palästinensische Gefangene und 1700
seit dem 7. Oktober 2023 Inhaftierte). 6) Amnestie für Hamas-Mitglieder, die
den bewaffneten Kampf aufgeben. 7) und 8) Bereitstellung humanitärer Hilfe,
die Wiederherstellung von Notunterkünften, die Öffnung des Grenzübergangs
Rafat in beide Richtungen und 12) die Freiheit der Palästinenser:innen, zu
bleiben, zu gehen oder zurückzukehren. 9) Die Einrichtung einer zeitweiligen
Übergangsbehörde, eines „technokratischen und unpolitischen
palästinensischen Komitees“, angeführt von einem ausländischen Rat unter der
Leitung von Tony Blair. Sie soll Finanzierung und Wiederaufbau organisieren.
10) und 11) eine Sonderwirtschaftszone mit „Präferenzzöllen“. 13) Hamas und
„andere Gruppierungen verpflichten sich, keine Rolle bei der Verwaltung des
Gazastreifens zu spielen“, die militärische Infrastruktur (einschließlich
Tunneln) muss zerstört werden, und 15) es muss eine „vorübergehende
internationale Stabilisierungstruppe unter Einschluss der USA und der
arabischen Länder“ eingesetzt werden.

 

Trumps Ziel ist es, ein vorteilhaftes militärisches Kräfteverhältnis zu
erreichen mit dem Ziel, seine politische und wirtschaftliche Kontrolle über
Gaza weiter zu stärken. All dies geschieht im Zusammenhang mit verstärkten
Siedlungsaktivitäten im Westjordanland, Trumps berüchtigten Plänen, Gaza zu
einer neuen Riviera zu machen, und Israels Angriffen auf Nachbarländer
(Iran, Katar, Ausweitung der Besatzung im Libanon und in Syrien, Jemen …). 

 

Der Plan steht voll und ganz im Einklang mit der Offensive der Vereinigten
Staaten, ihre Vorherrschaft im Nahen Osten weiter auszubauen. Insbesondere
zielt er darauf ab, den Prozess der „Normalisierung“ zu stärken, d. h. die
arabischen Länder, insbesondere die Golfmonarchien, Ägypten, Jordanien und
das neue Regime in Syrien auf die Vereinigten Staaten auszurichten. Sie
planen, die ethnische Säuberung fortzusetzen, in der Hoffnung, dass die
elenden Lebensbedingungen, die durch Zerstörung und Blockade verursacht
werden, Hunderttausende von Bewohner:innen Gazas dazu bringen werden,
Palästina zu verlassen, während diejenigen, die bleiben, durch die
Bedingungen beim Wiederaufbau von Gaza in einen sklavenartigen Status
getrieben werden.

 

Die Vereinigten Staaten und Israel hoffen, die Opposition auszuschalten,
indem sie die militärischen Leistungsfähigkeiten des Widerstands zerstören
und durch Trumps Aufruf zur Amnestie für Netanjahu in den gegen ihn
laufenden Korruptionsverfahren.

 

 

DIE UMSETZUNG DES WAFFENSTILLSTANDS

 

Sie ist alles andere als offensichtlich: 2000 Gefangene wurden freigelassen,
darunter 250 Langzeithäftlinge (157 Fatah, 65 Hamas, 16 Dschihad, 11 PFLP, 1
DFLP). Es gibt immer noch 9000 Gefangene, doppelt so viele wie zu Beginn des
Krieges. Hunderttausende von Menschen aus dem Gazastreifen sind in ihre
Häuser zurückgekehrt (von denen die meisten völlig zerstört worden waren).

 

Am Mittwoch, dem 15. Oktober, war es nur 173 der geplanten 1800 Lastwagen
von Israel gestattet worden, nach Gaza hineinzufahren, obwohl die Vereinten
Nationen ausdrücklich darum gefordert hatten, diese lebenswichtige Hilfe für
die Bevölkerung zu beschleunigen. Die PFLP verzeichnete auch 36 Verstöße
gegen den Waffenstillstand durch Israel, die Dutzende von Opfern forderten.
Ganz zu schweigen von Gewalt und Folter gegenüber Gefangenen. Am 24. Oktober
verurteilten 41 NGO die Beschränkungen der humanitären Hilfe, insbesondere
die Blockade von Lastwagen. Ihnen zufolge werden lebenswichtige Güter im
Wert von umgerechnet 50 Mio US$ von Israel blockiert.

 

Die Hamas führt mit Unterstützung der PFLP und des Islamischen Dschihads
eine bewaffnete Offensive gegen die an der Plünderung humanitärer Hilfe
beteiligten Milizen an, bei denen es sich um Mafiaorganisationen oder
-gruppen handelt, die von Israel organisiert oder unterstützt werden. Einige
dieser Milizen haben sich mit der israelischen Besatzungsarmee hinter die
„gelbe Linie“ zurückgezogen; die Hälfte des Gazastreifens bleibt von Israel
besetzt. Es ist jedoch möglich, dass diese Operationen es der Hamas
ermöglichen, interne politische Rechnungen zu begleichen, aber zuverlässige
Informationen sind rar.

 

Israel behält die Kontrolle über die von ihm als „Pufferzone” im Osten
bezeichnete Region. Die Vereinigten Staaten und Israel fordern die totale
Entwaffnung der Hamas und anderer palästinensischer Kräfte, was vor allem
aus zwei Gründen völlig unmöglich erscheint: erstens ist diese Abrüstung
politisch inakzeptabel, weil die Palästinenser:innen keine Garantien dafür
haben, dass Israel den Waffenstillstand einhält, da bekannt ist, dass es
frühere Vereinbarungen gebrochen hat, ganz zu schweigen von der
Notwendigkeit, früher oder später den Kampf für die Befreiung Palästinas
wieder aufzunehmen, was notwendigerweise eine bewaffnete Dimension
beinhaltet; zweitens ist es unmöglich, die Sicherheit der Bewohner:innen des
Gazastreifens in einer verwüsteten Region ohne Waffen zum Schutz der
humanitären Hilfe und der Verteilung von Nahrungsmitteln, insbesondere vor
der Mafia und/oder pro-israelischen Milizen, zu gewährleisten.

 

 

WAS TRIEB TRUMP ZUM WAFFENSTILLSTAND??

 

Es ist manchmal schwer zu verstehen, was Trumps Politik bestimmt. Seine
Entscheidung basiert auf einer Kombination von Faktoren:

 

1) Zweifellos wurde es schwierig, mit den wachsenden militärischen,
finanziellen und politischen Kosten des Völkermords fertig zu werden. 

 

2) Die globale Mobilisierung erhielt eine neue Dimension mit dem
Generalstreik in Italien, der als Vorbild für viele gewerkschaftliche
Überlegungen dient, und den Flottillen, die Israel politisch in eine
schwierige Lage gebracht haben, ganz zu schweigen von der allgegenwärtigen
Inspiration für Mobilisierungen wie dem Marsch für Gaza, die eine enorme
Gefahr für die mitschuldigen arabischen Regime darstellen. 

 

3) Die Protestbewegung in Israel ist trotz ihrer Unklarheiten und
Beschränkungen auch ein Faktor für die Schwächung Netanjahus.

 

4) Darüber hinaus betrachten die Vereinigten Staaten und Israel ihre
Intervention im weiteren Kontext des Nahen Ostens. Sie wollen an mehreren
Fronten intervenieren: im Südlibanon, wo Israel weiterhin militärisch
interveniert und neue Gebiete besetzt; in Syrien, wo beide Staaten weitere
politische Zugeständnisse von der neuen HTC-Regierung anstreben, die
versucht, ihre Macht mit allen Mitteln, einschließlich der Normalisierung
mit Israel, zu festigen; und im Iran, wo Trump begonnen hat (über die
militärische Intervention im Juni 2025 hinaus), sein Lieblingsspiel zu
spielen, bei dem er zwischen Drohungen und Verführung wechselt, um einen
Deal zu erreichen.

 

 

Die Strategie der Vereinigten Staaten besteht darin, das globale
Kräfteverhältnis und die Einflusssphären im Wettbewerb mit anderen
Großmächten, insbesondere Europa und Russland, zu verschieben.

 

 

WAS BEDEUTET DAS FÜR DIE SOLIDARITÄTSBEWEGUNG? 

 

Das erste ist, sich für die Bevölkerung zu freuen, die der massiven Gewalt
des zionistischen Staates – wenn auch nur vorübergehend – nicht weiter
ausgesetzt ist. Unter diesem Gesichtspunkt heben wir auf die
Widerstandsfähigkeit der Menschen hervor, die ein systematisches Massaker
erlitten haben, dessen Realität immer noch unterschätzt wird, und die sofort
begannen, ihr Land zurückzufordern und sich einer neuen Nakba
entgegenzustellen. Wir müssen unsere entschiedene Solidarität mit der
Bevölkerung zum Ausdruck bringen, die weiterhin von der zionistischen Armee,
ihrem System von Massengefängnissen und den Siedlern misshandelt wird. Dies
muss geschehen, ohne das Kräfteverhältnis zu überschätzen oder die
erbrachten Opfer zu verherrlichen.

 

Das zweite und zweifellos wichtigste ist, Trumps Plan verurteilen. Dies ist
keine moralische Verurteilung; wir sind der Ansicht , dass die
palästinensischen Organisationen in einer schrecklichen Situation ihr Bestes
tun und dass sie keine andere Wahl haben, als diese
Waffenstillstandsbedingungen zu akzeptieren. Aber wir müssen alle
palästinensischen Versuche unterstützen, Trumps Plan Punkt für Punkt in
Frage zu stellen und den kolonialen und imperialistischen Charakter dieses
Abkommens, das auf Ruinen und Tod aufgebaut ist, anzuprangern.

 

Und konkret haben wir die Pflicht zu kämpfen, um es den Imperialisten schwer
zu machen, ihre Ziele in den kommenden Wochen zu erreichen. Der wichtigste
Punkt ist die völlige Ablehnung ausländischer Einmischung in Gaza, also die
vollständige Ablehnung einer imperialistischen (westlichen und/oder
arabischen) Präsenz, sei es militärisch, wirtschaftlich oder administrativ.
Das Selbstbestimmungsrecht ist nicht verhandelbar; es ist an den
Palästinenser:innen, ihre Gesellschaft so zu organisieren, wie sie es
wünschen, und sowohl militärische Truppen als auch Siedler müssen abziehen.

 

Das Ende der schärfsten Form des Völkermords wird Erleichterung bringen,
aber auch einen Rückgang der globalen Mobilisierung. Wir dürfen jedoch nicht
die Notwendigkeit aus den Augen verlieren, eine Massenbewegung aufzubauen,
um die freie und ungehinderte Lieferung humanitärer Hilfe zu erzwingen, eine
Entschädigung für die Schäden durchzusetzen, die die Bevölkerung erlitten
hat, und die Fortsetzung der Kolonisierung und ethnischen Säuberung sowie
den Versuch der Imperialisten, die wirtschaftliche und militärische
Kontrolle über Gaza zu übernehmen, zurückzuweisen.

 

Wir müssen daher neue, einheitliche Mobilisierungen aufbauen, um das
Kräfteverhältnis zu verändern.

 

Neben dieser breiten, auf Sofortforderungen basierenden Einheitsbewegung
wollen wir dazu beitragen, in direktem Kontakt mit den Palästinenser:innen
eine entschlossenere, organisierte Bewegung um Parolen herum aufzubauen, die
darüber hinausgehen:

 

* Widerstand gegen die Präsenz ausländischer Besatzungstruppen (insbesondere
aus unseren eigenen Ländern) und gegen imperialistische Protektorate; volle
Unterstützung des Rechts auf Selbstbestimmung für das palästinensische Volk;

 

* Freilassung aller palästinensischen Gefangenen, insbesondere durch
Unterstützung der Kampagne der internationalen Solidaritätsbewegung für die
Freilassung von Marwan Barghouti;

 

* Abbau von Siedlungen, insbesondere im Westjordanland, in Jerusalem und auf
den besetzten Golanhöhen;

 

* Verurteilung der Blockade, Bewegungsfreiheit;

 

* Garantie des Rückkehrrechts;

 

* Ablehnung des Apartheidstaates. Entwaffnung des Völkermordregimes.
Erklärung der Befreiung ganz Palästinas, für ein demokratisches, egalitäres,
säkulares Palästina usw.;

 

* Fortsetzung der BDS-Arbeit gegen alle, die kollaborieren, insbesondere
durch den Kampf für den Abbruch aller Beziehungen zu Israel seitens
Regierungen, Unternehmen – insbesondere diejenigen, die zur Bewaffnung
Israels beitragen – FIFA, Universitäten usw.

 

 

Wir haben auch konkretere Aufgaben der kämpferischen Solidarität. Dazu
gehört die Beteiligung an humanitärer Hilfe, die notwendig und eine relativ
einfache Aufgabe für Menschen in Arbeitervierteln ist, die ihre Solidarität
zeigen wollen. Es gibt auch Unterstützung für den Wiederaufbau
palästinensischer Organisationen, insbesondere mit dem Ziel der Entwicklung
von Massenkämpfen mit Demonstrationen unter Beteiligung von Gewerkschaften,
Bürgerorganisationen und den verschiedenen Parteien, die die
palästinensische nationale Bewegung bilden. Die Organisation ziviler
Missionen im Libanon oder sogar im Westjordanland kann wieder ein Instrument
zu ihrer Unterstützung werden.

 

 

DEN KAMPF FORTSETZEN

 

Der Kolonisierungskrieg und die ethnischen Säuberungen begannen nicht am 7.
Oktober, ebenso wenig wie unser internationaler Widerstand. Entscheidend
ist, dass wir nicht nachlassen, sondern unsere Positionen stärken. Was wir
gerade erlebt haben, ist ein wesentliches Element für eine Verhärtung der
Welt. Dies provoziert Reaktionen, auf internationaler Ebene, gegenüber der
Barbarei, gegen den rasanten Ansturm der extremen Rechten und die
Kollaboration diktatorischer Regime in arabischen Ländern.

 

Als Reaktion darauf haben sich Hunderte von Millionen Menschen erhoben. Wir
bekräftigen unsere bedingungslose Unterstützung für den Kampf des
palästinensischen Volkes, der im Einklang mit unseren eigenen kämpferischen
Zielen steht. Wir beteiligen uns daran, die eklatantesten Aspekte der
Kolonisierung anzuprangern – Tod, Armut, Apartheid, willkürliche
Inhaftierung … – um eine Massenbewegung aufzubauen, während wir eine
Koordination mit radikaleren Kreisen anstreben, unter jungen Menschen, in
Arbeitervierteln, unter antizionistischen Jüdinnen und Juden, und den
strategischen Horizont der Befreiung ganz Palästinas verteidigen, einen
Kampf für die Emanzipation, eine Revolution in der ganzen Region, die die
imperialistischen Mächte hinwegfegen wird.

 

 

27. Oktober 2025

 

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Aus:   die internationale Nr. 6/2025 

Nachdruck gegen Quellenangabe und Belegexemplar erwünscht

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