Irland: Gesetz zur verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung gekippt
presse at vorratsdatenspeicherung.de
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Mi Dez 12 08:04:37 CET 2018
Pressemitteilung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung vom 12.
Dezember 2018:
Irland: Gesetz zur verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung gekippt
Das irische Gesetz zur verdachtslosen Vorratsspeicherung sämtlicher
Mobiltelefonverbindungen für unbestimmte Zwecke der Strafverfolger ist
vom dortigen High Court als Verstoß gegen die EU-Grundrechtecharta
gekippt worden.[1] Das ca. 100 Seiten lange Urteil warnt vor einer
Entwicklung, die "der entmenschlichenden und unangenehmen Gesellschaft
ähnelt, die im Roman 1984 dargestellt wurde". Die "abschreckende Wirkung
auf die Privatsphäre und das Recht auf freie Meinungsäußerung und
Vereinigungsfreiheit durch tatsächliche und befürchtete Überwachung" sei
nicht zu unterschätzen.[2]
Die EU-Grundrechtecharta "verbietet eine allgemeine und unterschiedslose
Vorratsdatenspeicherung", heißt es im Urteil.[3] Weil es darauf im
entschiedenen Fall nicht ankam, erstreckt sich das Urteil jedoch nicht
auf die Vorratsdatenspeicherung im Interesse der "nationalen Sicherheit"
und zum Schutz menschlichen Lebens sowie die Vorratsspeicherung anderer
Daten als Mobiltelefon-Verbindungsdaten. Aus diesem Grund wird die
Vorratsdatenspeicherung in Irland einstweilen nicht ausgesetzt.[4] Zur
Strafverfolgung stehen jedoch keine verdachtslos gespeicherten
Mobiltelefondaten mehr zur Verfügung.[5] Außerdem plant der
Justizminister eine Änderung des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung.
Die im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung zusammen geschlossenen
Bürgerrechtler, Datenschützer und Internetnutzer begrüßen das irische
Urteil und fordern von SPD, CDU und CSU die Rücknahme des deutschen
Gesetzes zur verdachtslosen Vorratsspeicherung sämtlicher Kontakte,
Bewegungen und Internetverbindungen.
Aus Sicht der im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
zusammengeschlossenen Datenschützer, Bürgerrechtler und Internetnutzer
ist eine verdachtsunabhängige und wahllose Vorratsspeicherung von
Telekommunikationsdaten für viele Bereiche der Gesellschaft höchst
schädlich: Sie beeinträchtigt vertrauliche Kommunikation in sensiblen
Bereichen, in denen Menschen auf Vertraulichkeit angewiesen sind (z.B.
Kontakte zu Psychotherapeuten, Ärzten, Rechtsanwälten, Betriebsräten,
Eheberatern, Kinderwunschzentren, Drogenmissbrauchsberatern und
sonstigen Beratungsstellen) und gefährdet damit die körperliche und
psychische Gesundheit von Menschen, die Hilfe benötigen, aber auch der
Menschen aus ihrem Umfeld. Wenn Journalisten Informationen elektronisch
nur noch über zurückverfolgbare Kanäle entgegen nehmen können, gefährdet
dies die Pressefreiheit und beeinträchtigt damit elementare
Voraussetzungen einer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft. Die
verdachtsunabhängige und ungezielte Vorratsdatenspeicherung schafft
zudem Risiken des Missbrauchs und des Verlusts vertraulicher
Informationen über unsere persönlichen Kontakte, Bewegungen und
Interessen. Telekommunikationsdaten sind besonders anfällig dafür, von
Geheimdiensten ausgespäht zu werden und möglicherweise Unschuldige
ungerechtfertigt strafrechtlichen Ermittlungen auszusetzen.
Fußnoten:
[1] Das Urteil vom 06.12.2018 im Wortlaut:
<http://www.courts.ie/Judgments.nsf/09859e7a3f34669680256ef3004a27de/ad470420aa70fcb78025835b003902f8/$FILE/%5B2018%5D%20IEHC%20685%20-%20Dwyer%20-v-%20Commissioner%20of%20An%20Garda%20S%C3%ADoch%C3%A1na%20&%20ors.pdf>
[2] Absatz 5.13 des Urteils.
[3] Absatz 4.33 des Urteils.
[4] Bericht der Irish Times,
https://www.irishtimes.com/news/crime-and-law/graham-dwyer-s-appeal-puts-focus-on-state-surveillance-1.3724136
[5] Bericht des Irish Examiner,
https://www.irishexaminer.com/breakingnews/ireland/killer-graham-dwyers-bid-for-freedom-890454.html
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