Internet- und Telefonanbieter speichern Kontakte, Bewegungen und Internetverbindungen monatelang auf Vorrat
Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
presse at vorratsdatenspeicherung.de
Mi Jan 2 10:56:20 CET 2019
Pressemitteilung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung vom 2.
Januar 2019:
Internet- und Telefonanbieter speichern Kontakte, Bewegungen und
Internetverbindungen monatelang auf Vorrat
Obwohl Gerichte die umstrittene verdachtslose Vorratsdatenspeicherung
ausgesetzt haben, sammeln einige deutsche Telekommunikationsanbieter
trotzdem von jedem Kunden abrechnungsirrelevante Informationen über die
Telefon- und Internetnutzung. Dies ergibt sich aus einer Erhebung der
Bundesnetzagentur, die dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
vorliegt.[1] Den Unternehmen, deren Name die Bundesnetzagentur nicht
bekannt gibt, droht ein Bußgeld.
Konkret wird der Aufenthaltsort bei mobiler Telekommunikation
(Funkzelle) eine Woche lang, die weltweit einmalige Kennung mobiler
Endgeräte (IMEI) bis zu vier Monate lang und die Internetkennung
(IP-Adresse) bis zu drei Monate lang gespeichert, ohne dass dies zur
Abrechnung nötig ist. Die im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
zusammen geschlossenen Bürgerrechtler, Datenschützer und Internetnutzer
warnen vor den Konsequenzen dieser „freiwilligen Vorratsdatenspeicherung“:
„Dass Mobilfunkanbieter bei jeder Verbindung den Aufenthaltsort
festhalten, ermöglicht Behörden massenhafte Funkzellenabfragen und kann
Unschuldige in Verdacht bringen, beispielsweise nach der Teilnahme an
einer Demonstration“, erklärt Uli Breuer vom Arbeitskreis
Vorratsdatenspeicherung. „Zu jeder Internetnutzung die IP-Adresse zu
speichern ermöglicht Abmahnanwälten, Verbraucher tausendfach wegen
angeblicher Urheberrechtsverletzungen im Internet abzukassieren, die sie
oft nicht begangen haben.“
„Das Ausmaß der freiwilligen Vorratsdatenspeicherung ist selbst nach dem
Maßstab des industriefreundlichen Leitfadens der Bundesnetzagentur klar
illegal und ordnungswidrig. Wir haben deshalb Anzeige erstattet und die
Bundesnetzagentur sowie die Bundesdatenschutzbeauftragte zum
Einschreiten aufgefordert.[2]“
Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung verlangt von der
Bundesnetzagentur, die Speicherdauer jedes Anbieters transparent zu
machen, damit Verbraucher Anbieter ohne Vorratsdatenspeicherung wählen
können.[3] Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung warnt außerdem, die
geplante ePrivacy-Verordnung der EU drohe die „freiwillige
Vorratsdatenspeicherung“ durch Telekommunikationsanbieter massiv
auszuweiten,[4] und verlangt ein klares Verbot allgemeiner und
unterschiedsloser Vorratsdatenspeicherungen.
Aus Sicht der im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
zusammengeschlossenen Datenschützer, Bürgerrechtler und Internetnutzer
ist eine verdachtsunabhängige und wahllose Vorratsspeicherung von
Telekommunikationsdaten für viele Bereiche der Gesellschaft höchst
schädlich: Sie beeinträchtigt vertrauliche Kommunikation in Bereichen,
in denen Menschen auf Vertraulichkeit angewiesen sind (z.B. Kontakte zu
Psychotherapeuten, Ärzten, Rechtsanwälten, Betriebsräten, Eheberatern,
Kinderwunschzentren, Drogenmissbrauchsberatern und sonstigen
Beratungsstellen) und gefährdet damit die körperliche und psychische
Gesundheit von Menschen, die Hilfe benötigen, aber auch der Menschen aus
ihrem Umfeld. Wenn Journalisten Informationen elektronisch nur noch
überrückverfolgbare Kanäle entgegen nehmen können, gefährdet dies die
Pressefreiheit und beeinträchtigt damit elementare Funktionsbedingungen
einer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft. Die
verdachtsunabhängige und wahllose Vorratsdatenspeicherung schafft
Risiken des Missbrauchs und des Verlusts vertraulicher Informationen
über unsere persönlichen Kontakte, Bewegungen und Interessen.
Telekommunikationsdaten sind außerdem besonders anfällig dafür, von
Geheimdiensten ausgespäht zu werden und Unschuldige ungerechtfertigt
strafrechtlichen Ermittlungen auszusetzen.
Weiterlesen:
[1] Erhebung der Bundesnetzagentur:
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/images/vb_breg_anl4_2018-05-15.pdf
[2] Anzeige vom heutigen Tag:
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/images/anzeige-bnetza-2019.pdf
[3] Anfrage nach Informationsfreiheitsgesetz:
https://fragdenstaat.de/a/34043
[4] Zivilgesellschaft zu ePrivacy:
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/788/79/lang,de/
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