[COMM-Rundbrief] Bericht von der LEBENSLAUTE-Aktion in Oberndorf

carsten carsten at comm-ev.de
Fr Sep 7 14:03:10 CEST 2012


Liebe Freundinnen und Freunde des COMM e.V.,

am vergangenen Montag war die - erfolgreiche - Aktion,
am Dienstag haben wir weiter in den Räumen, die wir für die Proben und
Treffen zur Verfügung hatten, aufgeräumt,
Mittwoch war ich den ganzen Tag auf der Autobahn,
und nun komme ich endlich dazu, zu schreiben...

Zu den Hintergründen der Aktion und Lebenslaute selbst steht ja schon
einiges auf der Seite
http://www.comm-ev.de/index.php/campsaktionen/lebenslaute-aktion-bei-hecklerkoch/
,
und für weiterführende Informationen finden sich da auch weitere Links.
Warum diese Aktion sinnvoll und gut sein würde, war mir jedenfalls
sofort klar, als ich im Januar davon hörte, und ich wusste gleich, dass
ich da mithelfen will, wenn es irgendwie ginge.

Es ging, und so kam ich zusammen mit Heinz, noch einem von der
ZUGABe-Aktionsunterstützung (AU), am Montag vergangener Woche mit dem
Auto voller Material und Geräten in Villingen-Schwenningen an. In den
folgenden Tagen bereiteten wir zusammen mit den lokalen
Unterstützer_innen die von ihnen besorgten (kirchlichen) Räume für die
jeweiligen Veranstaltungen vor und besorgten noch fehlendes Material.
Die LEBENSLAUTE sind Musiker_innen aus ganz Deutschland und Österreich.
Für diese Aktion haben sich rund 100 Instrumente Spielende und Singende
zusammengefunden. Sie haben nicht viel Gelegenheit, gemeinsam zu proben,
und das Wochenende in Kassel im Juni war eine davon (siehe
COMM-Rundbrief vom 17.6.). Darum sollte von Donnerstag an sowohl
musikalisch geprobt als auch - in basisdemokratischer Weise - die Aktion
vorbereitet und trainiert werden, beides jeweils mal in kleineren
Gruppen, mal mit allen zusammen.

Eine kleine Kirche wurde Probensaal für das Orchester, im Gemeindesaal
probte der Chor, in einem anderen Gemeindehaus haben die "Maulwürfe" aus
Freiburg http://volxkuechefreiburg.blogsport.de/maulwuerfe/ für alle
gekocht, im dazu gehörenden Saal wurde gegessen und die Aktion
trainiert, und in mehreren weiteren Räumen fanden Bezugsgruppentreffen
und spezielle Proben statt. Je nach Anforderung mussten in den Räumen
Tische und Stühle hin- oder weggeräumt werden, einen Raum haben wir uns
als Materiallager und Büro eingerichtet, und für das Vorkonzert am
Sonntag, das quasi die Generalprobe für das Hauptkonzert am Montag sein
sollte, haben wir in einer großen Kirche rund um den Altar ein Bühne für
die hundert Musiker_innen gebaut.

Am Samstag, dem "Antikriegstag" bzw. "Tag des Friedens", gab ein kleines
LEBENSLAUTE-Ensemble eine musikalische Unterstützung der Kundgebung auf
dem Geschwister-Scholl-Platz in Schwenningen, am Sonntagnachmittag fand
dann das große Konzert in der Kirche in Villingen statt. Das Programm
und ein paar erläuternde Worte zu den Stücken sowie die Liedtexte gibt
es hier:
http://www.lebenslaute.net/wp-content/uploads/2012/01/Kommentare-zur-Musik_LL20121.pdf

Für uns Aktionsunterstützer_innen war schon der Sonntag eine
Herausforderung: Wir konnten mit dem Bühnenbau erst um 11:30 nach dem
regulären Gottesdienst beginnen, und um 14:30 sollte alles fertig sein.
Außerdem sollte ein großes Banner in der Kirche und mehrere kleine
drinnen und draußen aufgehängt werden. Nach dem Konzert musste die
Kirche und der Gemeindesaal, in dem das Abendessen für alle serviert
wurde, wieder in den vorigen Zustand versetzt werden, was bis ca. 21 Uhr
dauerte, und danach haben wir die Autos für den folgenden Morgen
gepackt. Neben diversem Kleinmaterial ging es um Regenschutz für die
Instrumente (wir hatten diverse Pavillons parat), die
(solarstrombetriebene) Lautsprecheranlage für die Redebeiträge und um
zwei Anhänger mit Sitzbänken für das Publikum. In der Nacht bekamen alle
nicht viel Schlaf, denn der Plan war, um 20 vor 5 alle fünf Tore des
Heckler&Koch-Werks zu blockieren, weil normalerweise die ersten
Arbeiter_innen um 5 kommen.

Um 3 Uhr ging es los, denn Oberndorf liegt ja noch ein Stück entfernt
von Villingen-Schwenningen. Und von da an lief alles wie geplant: Die 5
Gruppen kamen zu ihren Toren, bauten sich auf und fingen an zu
musizieren, die jeweils anwesenden AU-Leute hängten Transparente auf und
sicherten wo nötig vor ankommenden Autos (es war ja noch dunkel und
keine Polizei vor Ort, die das hätte übernehmen können... ;-) ). Der
Rest der AU brachte schnell die schon vorm Wochenende auf eine
Grünfläche ganz in der Nähe gelieferten Toilettenkabinen zu den
Aktionsorten, und gleich danach begannen wir, den Freiluft-Konzertsaal
vorm Haupttor herzurichten. Dort durften wir nicht mit dem Auto
vorfahren, und so brachten wir die Tische/Bänke und die Tonanlage per
"Ameisenstraße" über den Zaun und eine weitere Toilette mit der
Sackkarre über den Parkplatz.

Um 9 beendeten die Blockadegruppen an den Nebentoren ihre Aktionen dort
und kamen alle am Haupttor zusammen, um sich dort auszutauschen, mit von
den Maulwürfen bereiteten heißen Getränken und Gebäck zu stärken und
sich auf das Hauptkonzert vorzubereiten. Es kamen dann auch immer mehr
Menschen, die die für 10 Uhr angekündigte Konzert-Blockade direkt vor
dem Haupteinfahrtstor von "Europas tödlichstem Unternehmen" (Jürgen
Grässlin) hören und sehen wollten. Das Publikum wuchs auf eine Zahl von
knapp 300 Menschen an, was an einem Montagvormittag und in einer Gegend,
wo zu diesem Thema lieber geschwiegen wird, sehr beachtlich ist. Im
Laufe des Vormittags klarte das Wetter auch etwas auf, so dass trotz des
ernsten Anlasses bei zeitweise strahlendem Sonnenschein bei
"Guantanamera" mitgesungen und -geklatscht und bei einem anderen Stück
sogar getanzt wurde...

Wie geplant beendeten wir die Aktion gegen 12:30, um uns auf einer nahe
gelegenen Grünfläche für das Mittagessen und die Abschlussrunde wieder
zu versammeln. Währenddessen baute ein Teil der AU - diesmal durften wir
mit Autos und Anhängern vorfahren - den "Konzertsaal" wieder ab, so dass
dann für die Heckler&Koch-Wachleute der "Spuk" erstmal wieder vorbei war.

Die Polizei war - nach unserer Ankunft - auch zahlreich erschienen,
hielt sich aber sehr im Hintergrund. Der stellvertretende Einsatzleiter
Lehmann, den ich schon am Donnerstag bei der Anlieferung der Klokabinen
kennenlernen durfte, war an diesem Morgen um 5 nicht gut gelaunt. Er
schien "überrumpelt" und war sauer, dass wir uns nicht an die
angekündigte Zeit gehalten hatten. Später, nachdem die Lage klarer
wurde, hellte sich seine Laune auf. Gegen 7 fragte er zwar noch, ob wir
ein Tor freigeben würden, damit sowohl Lebensmittellieferer für die
Werkskantine als auch Polizeifahrzeuge auf das Gelände könnten, was wir
verneinten mit der Begründung, dass wir hier seien, um zu blockieren.
Außer Rettungswagen und Feuerwehr würden keine Fahrzeuge durchgelassen,
und wenn die Werksangehörigen Hunger hätten, sollten sie rauskommen und
um 9 mit uns was essen. :-P   
Die Einsatzleitung schien anfangs auch eine Go-in-Aktion zu befürchten,
und als ihr klar wurde, dass das (diesmal) nicht unser Anliegen ist,
durfte die frühmorgens in Kampfmontur einmarschierte Spezialeinheit
(BFE) ihre Helme und Knüppel in ihre an der Blockade vor Tor 5 geparkten
Autos zurück bringen. Zum Schluss kam Herr Lehmann - während des
Konzerts hatte er im Orchester seinen früheren Kunstlehrer entdeckt und
begrüßt - freudestrahlend auf uns zu und hat sich verabschiedet...

Die Geschäftsleitung von Heckler&Koch hat sich anscheinend gut beraten
lassen und hat Konfrontationen vermieden und alles "ertragen", um noch
mehr Medienaufmerksamkeit, z. B. durch Bilder von Polizist_innen, die
vorm H&K-Tor mit Musiker_innen rangeln, zu vermeiden.
So gab es z. B. diese Berichte von einer "friedlichen" Aktion, mit der
einmal mehr angeprangert wurde, dass von Deutschland Krieg ausgeht...

http://www.swr.de/nachrichten/bw/-/id=1622/nid=1622/did=10267438/ssd0po/

http://www.taz.de/Waffenschmiede-in-Oberndorf-blockiert/!100942/

http://www.jungewelt.de/2012/09-04/046.php

Das Foto im Anhang zeigt das Konzert am Sonntag in der Markuskirche in
Villingen (mehr Fotos demnächst auf der COMM-Homepage), und für einen
Eindruck von der Aktion am Montag empfehle ich den 6-Minuten-Film von
graswurzel.tv: http://www.graswurzel.tv/v220.html

Weitere Informationen sowie mehr Links zu medienberichten gibt es auf
der LEBENSLAUTE-Homepage: http://www.lebenslaute.net/?page_id=756

Es hat mir viel Freude gemacht, mit so vielen bewegten Menschen diese
bewegende Aktion durchzuführen und als Nichtmusiker Teil dieses
großartigen Orchesters gewesen zu sein.  Ich denke, diese Aktion war
auch für LEBENSLAUTE eine ungewohnt anspruchsvolle, mit einer
ungewohnten Größe von Chor und Orchester und an zeitweise 5 Aktionsorten
gleichzeitig. Dass das alles so ziemlich sehr gut funktioniert hat (aus
meiner Sicht, ein paar Dinge sind immer noch besser zu machen), liegt m.
E. an der guten Vorbereitung und dem wunderbaren Zusammenspiel der ja
irgendwie "zufällig" zusammengekommenen Leute, die alle mindestens die
eine Verbindung haben: Die Idee(n) hinter der Aktion.
Und eine Menge Glück hatten wir auch... ;-)

Liebe Grüße      Carsten


-------------- nächster Teil --------------
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