[IPK] Ebola, Armut und Rassismus

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So Nov 2 15:14:29 CET 2014


Ebola, Armut und Rassismus

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Für die Bekämpfung einer Massenerkrankung wie der aktuellen Ebola-Epidemie
gibt es relativ simple Regeln: Erkennung, Identifizierung und Isolation der
Betroffenen sowie der möglichen Kontaktpersonen, medizinische Versorgung
und, soweit möglich, Ausschaltung der Infektionsquelle. Jeder Epidemiologe
weiß das. Was also ist schiefgelaufen bzw. was alarmiert die
"Weltgemeinschaft" so?

 

 

Von Thadeus Pato

 

 

Eine Neuentdeckung ist das Ebola-Virus nicht: Benannt ist es nach dem
kongolesischen Fluss Ebola, wo es 1976 entdeckt wurde: Bei der damaligen
Epidemie gab es knapp dreihundert Todesfälle. Seitdem sind immer wieder
Ausbrüche der Erkrankung in unterschiedlichen afrikanischen Ländern zu
verzeichnen gewesen, die letzten größeren in Uganda und (erneut) in der
demokratischen Republik Kongo.

 

Das Ebolavirus ist aus epidemiologischer Sicht eigentlich nicht übermäßig
problematisch. Die Übertragung erfolgt praktisch ausschließlich über den
Kontakt mit den Körperflüssigkeiten der Infizierten, ob Menschen oder Tiere,
so dass es im Gegensatz beispielsweise zum Grippevirus, das auch über die
Luft übertragen werden kann, relativ einfach ist, sich zu schützen. Hinzu
kommt, dass das Virus gegen Umwelteinflüsse im Vergleich mit anderen Viren
wie dem Influenzavirus sehr empfindlich ist, also im Freien sofort abstirbt,
und durch die intakte Haut nicht eindringen kann, sondern ausschließlich
über die Schleimhäute oder über offene Wunden. Wäre das Virus so ansteckend
wie bspw. das Influenzavirus, so müsste man jetzt bereits mit
Hunderttausenden von Fällen rechnen.

 

Gefährlich ist das Virus allerdings, weil die Sterblichkeit bei den
erkrankten Menschen sehr hoch ist -- je nach Virenstamm zwischen 50 % und 80
% -- und weil ein einigermaßen wirksames Heilmittel oder eine Impfung bisher
nicht verfügbar sind.

 

Eigentlich ist der Erreger, ein sog. RNA-Virus, nicht für den Menschen
"gedacht": Kein Bakterium, Virus oder Parasit tötet seinen originären Wirt
so rasch und in einem derart hohen Prozentsatz -- er will sich vermehren,
nicht aussterben. Die eigentlichen Wirte des Erregers sind vermutlich
bestimmte Flughundarten, die Übertragung auf Menschen oder auch bestimmte
Wildtiere stellt also eher eine Art Unfall dar. Der Schutz gegen eine
Übertragung von Mensch zu Mensch ist, wie gesagt, im Prinzip relativ simpel.
Das ist auch einer der Gründe, warum die bisherigen Epidemien relativ
schnell eingegrenzt und eingedämmt werden konnten, neben der Tatsache, dass
sie in abgelegenen Gegenden mit geringer Mobilität stattfanden.

 

Das hat sich nun geändert. Die Furcht vor einer Ausbreitung der
Ebolaepidemie wächst rasant -- insbesondere in den industrialisierten
Staaten des globalen Nordens, die sich bisher relativ sicher wähnten -- und
deshalb bisher auch wenig bereit waren, die dringend notwendige
Unterstützung für die betroffenen Länder zu organisieren und stattdessen das
Feld mehr oder weniger kompetenten und zuverlässigen privaten
Hilfsorganisationen überließen, die damit hoffnungslos überfordert waren.

 

 

EPIDEMIE UND SOZIOPOLITISCHE SITUATION

 

Warum hat sich, nachdem die wiederkehrenden Ebola-Ausbrüche bisher immer
relativ begrenzt blieben, das Virus in Westafrika so rasant ausgebreitet?
Und warum wurde gegen ein Virus, das höchst gefährlich und bereits seit fast
vierzig Jahren bekannt ist, nicht längst zumindest ein Impfstoff auf den
Markt gebracht?

 

Das hat eine ganze Reihe von Ursachen, die mit dem Virus selbst relativ
wenig, mit der Situation in den entsprechenden Ländern und der Politik der
imperialistischen Staaten aber sehr viel zu tun haben. Grob gesagt, kann man
immer davon ausgehen, dass in armen Ländern Epidemien jedweder Art sich
leichter und schneller ausbreiten. Sierra Leone liegt, was das betrifft, im
Entwicklungs- oder besser Armutsindex (Human Development Index) auf Platz
177, Liberia auf Platz 174, Guinea auf Platz 178 und Nigeria, in dem die
Situation bisher noch (halbwegs) unter Kontrolle ist, auf Platz 153.

 

Zum einen ist die medizinische Infrastruktur wenig verlässlich. In Sierra
Leone war nach dem von 1991 bis 2002 andauernden Bürgerkrieg das
medizinische System weitgehend zerstört und in manchen Landesteilen
praktisch nicht mehr präsent. Ähnliches gilt für Liberia. Nach zwei
Bürgerkriegen war die medizinische Infrastruktur zerstört und ist bis heute
nicht annähernd wiederhergestellt. In diesem Zusammenhang sollte nicht
unerwähnt bleiben, dass an den jeweiligen Bürgerkriegen bzw. deren Ursachen
die Großmächte einen nicht unerheblichen Anteil hatten -- die USA
unterhielten z.B. seit jeher Militärbasen in Liberia und unterstützten je
nach Opportunität die jeweiligen Diktatoren, und die Geschichte der
"Blutdiamanten", die den Krieg in Sierra Leone mitfinanzierten, ist ja
inzwischen auch cineastisch und literarisch verarbeitet worden. Der
desaströse Zustand der medizinischen und ebenfalls für Seuchenbekämpfung
entscheidend wichtigen Bildungseinrichtungen ist also nicht etwa die Folge
irgendwelcher "innerer Auseinandersetzungen", sondern auch und zuvörderst
der Auswirkungen der Macht- und Rohstoffinteressen der Großmächte.

 

Zum anderen treffen bestimmte empfohlene präventive Maßnahmen nicht ohne
Grund bei der Bevölkerung auf taube Ohren: Wenn man den Verzehr von sog.
"bushmeat", also von Wildtieren einschließlich Fledermäusen, die einen
wesentlichen Übertragungsweg darstellen, verhindern will, dann nützen
Aufklärung und Empfehlungen gar nichts, solange die Menschen keine
(bezahlbare) Ernährungsalternative haben. Und das ist in vielen, besonders
in abgelegeneren, Gegenden der Fall.

 

Zum dritten spielt gerade bei der Bekämpfung von Epidemien der Bildungsstand
der Allgemeinbevölkerung eine große Rolle. Und der ist in allen betroffenen
Gebieten sehr niedrig -- ebenfalls eine Folge der oben genannten
Zerstörungen durch die Bürgerkriege. Das leistet allen möglichen im besten
Falle sinnlosen, im schlechten gefährlichen Legenden Vorschub. In Nigeria
beispielsweise geisterte Anfang August, nachdem die ersten Fälle
(eingeschleppt aus Liberia) aufgetreten waren, eine Empfehlung durch die
sozialen Medien, man solle in Salzwasser baden und Salzlösung trinken. Trotz
sofortiger offizieller Dementis befolgten die Menschen den Rat massenhaft.
Ergebnis waren zahllose Krankenhausaufnahmen wegen schwerer
Durchfallerkrankungen und (mindestens) ein Todesfall. Dass selbst die
Verantwortlichen in der Regierung allen möglichen Falschinformationen
aufsitzen und diese auch noch eilfertig weiterverbreiten, belegt der Fall
des nigerianischen Gesundheitsministers, Herrn Prof. Chukwu, der am 15.
August groß ankündigte, man werde ein "neues Medikament" gegen Ebola
importieren. Dabei handelt es sich schlicht um sogenanntes "Nano-Silber",
das als Beschichtung für Waschmaschinen und Zusatz in Kleidung, z.B. Socken,
als Bakterienkiller Verwendung findet (und in Deutschland, da als Medikament
ausdrücklich -- und zu Recht -- nicht zugelassen, ausschließlich von
dubiosen Heilern vermarktet wird), aber zur inneren Behandlung einer
Viruserkrankung völlig nutzlos ist. Und z.B. gegen bestimmte traditionelle
Bestattungsriten vorzugehen, eventuell sogar noch mit unmittelbarem Zwang,
wenn die entsprechende Aufklärung und die entsprechende minimale Vorbildung
fehlt, führt allenfalls zu dem, was jetzt stattfindet: Die Toten werden
verschwiegen und/oder versteckt, die Helfer bekämpft.

 

------------ KASTEN -----------------------------------------------

 

EBOLA IN DEN INDUSTRIELÄNDERN

 

Die Ansteckung von bisher drei Pflegekräften in den USA bzw. in Spanien, die
offiziell mit individueller Nachlässigkeit der Betroffenen erklärt wird,
wirft stattdessen ein Schlaglicht auf die Folgen von "Gesundheitsreform" und
Sparpolitik. Hier eine Stellungnahme eines Beschäftigten im spanischen
Gesundheitswesen.

Eine unserer Kolleginnen hat sich mit dem Ebolavirus infiziert. Bereits als
der in Afrika infizierte Patient auf Betreiben der Regierung in sein
Heimatland Spanien verlegt wurde, gab es zahlreiche Proteste und Warnungen
seitens der Beschäftigten im Gesundheitswesen und ihrer Gewerkschaften wegen
der unzulänglichen Bedingungen vor Ort, die durch das Gesundheitsministerium
und die lokale Verwaltung zu verantworten sind.

Dabei sind wir keine Hellseher, sondern einfach Beschäftigte in den
Krankenhäusern und Gesundheitszentren, die zunehmend unter Mittelkürzungen
und Privatisierungen leiden. Auf Betreiben der Regierung gerät unser
Gesundheitswesen immer mehr in die Hände von Spekulanten und privaten
Investoren, die nur am Profit interessiert sind.

Was momentan geschieht, ist schlicht unwürdig. Die Schließungen und
Privatisierungen während der vergangenen beiden Jahre durch die
Bezirksregierung haben u.a. das Krankenhaus Carlos III betroffen, das als
einziges auf die Behandlung von Tropen- und Infektionskrankheiten wie Ebola
spezialisiert war und dessen Personal hierin sowie in der Forschung hierüber
landesweit führend war. Stattdessen wurden die Spezialisten in ein anderes
Krankenhaus versetzt oder entlassen.

Mit der Verlegung des ersten Ebolakranken Anfang August wurden die
geschlossenen Abteilungen im Carlos III überhastet und stümperhaft
wiedereröffnet. In einem 20-minütigen Schnellkurs wurde das Pflegepersonal
auf die besonderen Anforderungen "vorbereitet", was von den Betroffenen
heftig kritisiert wurde. Notabene musste selbst der Gesundheitsdezernent von
Madrid einräumen, über die erforderlichen Maßnahmen und Maximen nicht
Bescheid zu wissen.

Man kann darüber nur den Kopf schütteln, wie diese inkompetenten
Technokraten und Profithaie unser öffentliches Gesundheitswesen zugrunde
richten, ohne sich um Leben und Gesundheit der Beschäftigten und der ganzen
Bevölkerung zu scheren.

Uns geht es jetzt darum, dass unsere Kollegin wieder gesund wird und ihr
Fall nicht der Auftakt zu einer Serie von Erkrankungen mit ungewissem
Ausgang wird. Das heißt, dass sich die Verantwortlichen nicht einfach ihrer
Pflicht entziehen können, denn, wenn sie auch nicht für das Auftreten des
Virus verantwortlich sind, dann aber dafür, dass wir immer weniger Mittel
haben, damit fertig zu werden. Sie richten unser einst vorbildliches
Gesundheitswesen systematisch zugrunde. Heute trifft es Ebolakranke, gestern
waren es Hepatitis-C-Patienten, denen man adäquate Medikamente vorenthielt,
oder ALS-Kranke, die ihrem Schicksal überlassen wurden, etc.

Wir fordern den sofortigen Rücktritt der Gesundheitsministerin, des
madrilenischen Regionalpräfekten und des Gesundheitsdezernenten, da sie die
Hauptverantwortung für die Schließungen und Kürzungen tragen. Da sie sicher
nicht von alleine gehen, muss man sie verjagen. Wir werden als Marea Blanca
(breite Protestbewegung im span. Gesundheitswesen) nicht lockerlassen und
unseren Protest auf die Straße tragen.

 

Aus /Viento Sur/ vom 7.10.2014

 

Übersetzung: MiWe

 

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Zum vierten, und das steht mit dem vorherigen Punkt in Zusammenhang, traut
ein großer Teil der Bevölkerung den Verlautbarungen der offiziellen Stellen
nicht über den Weg. Und auch dafür gibt es, wie eben am Beispiel Nigeria
belegt, gute Gründe. Betrachtet man die von der WHO derzeit gelieferten
Zahlen, dann muss man feststellen, dass zwar die Bevölkerung aufgefordert
wird, die Kranken in den Hospitälern und eilig eingerichteten provisorischen
Isolierungszentren abzuliefern, diese aber z.B. in Liberia bis zu 80 % davon
gar nicht mehr aufnehmen können (Stand: 15.10.2014).

 

Zum fünften sind die notwendigen präventiven Maßnahmen zur Bekämpfung der
weiteren Ausbreitung (u.a. Isolierung, Quarantäne, Beschränkung von
Mobilität) aus verschiedenen Gründen nur eingeschränkt implementierbar.
Neben der fehlenden Infrastruktur, dem bereits genannten desolaten Zustand
der Gesundheitseinrichtungen und dem Misstrauen spielt dabei z.B. gerade in
Nigeria die verbreitete Korruption eine Rolle: Die Frage, ob man
entsprechende Restriktionen umgehen kann, ist hauptsächlich eine Frage der
Höhe des Bestechungsgeldes -- insbesondere beim Grenzübertritt. Die
zunehmende Mobilität darf dabei nicht vergessen werden, doch dazu weiter
unten mehr.

 

Und zum sechsten ist bei dem Kollektiv der Erkrankten die Sterblichkeit in
armen Ländern generell höher: Die Frage, ob jemand Ebola überlebt, hängt
nicht nur vom Virus ab, sondern nicht zuletzt auch vom Zustand des
Immunsystems, also der individuellen Widerstandskraft. Vergegenwärtigt man
sich, dass die Lebenserwartung z.B. in Sierra Leone nur zwischen 48 und 49
Jahren beträgt und die Säuglingssterblichkeit bei 158 von 1000 Geburten
liegt, so wird deutlich, dass das Virus hier bei einer geschwächten und
mangelernährten Population leichtes Spiel hat.

 

 

RASSISMUS

 

Beim Umgang der "internationalen Gemeinschaft" mit der jetzigen
Ebola-Epidemie kann man sich des Eindrucks eines gewissen Rassismus nicht
erwehren. Selbstverständlich werden die betroffenen AusländerInnen nicht wie
die lokale Bevölkerung behandelt -- die muss in den einheimischen,
unzulänglich ausgerüsteten Gesundheitseinrichtungen verbleiben und wird
nicht in Spezialeinrichtungen in Nordamerika oder Europa transferiert. Die
kürzlich freigegebenen experimentellen Therapien wiederum stehen nur in
begrenztem Umfang zur Verfügung. Und da stellt sich sofort die Frage der
Verteilungsgerechtigkeit -- wenn sie denn wirken. Denn die angeblichen
Erfolge (die entsprechenden Zahlen lassen statistisch keine verlässlichen
Schlüsse zu) könnten auch zwanglos darauf zurückgeführt werden, dass die
ausgeflogenen internationalen HelferInnen, die in den zweifelhaften Genuss
der entsprechenden Mittel kamen, von vornherein erheblich bessere
Genesungsvoraussetzungen hatten: neben der (zumindest auf dem Papier; s.
Kasten) optimalen medizinischen Versorgung beispielsweise einen allgemein
stabileren Ernährungs- und Gesundheitszustand.

 

Der WHO wiederum, die eigentlich in der gesamten Region mit Büros präsent
ist, werden die dringend nötigen Mittel, um die unmittelbar anstehenden
Aufgaben zu lösen, verwehrt oder nur schleppend angewiesen -- wenn es
finanziell im Staatshaushalt kneift, bleibt bekanntlich als einer der ersten
der Gesundheitsetat auf der Strecke.

 

Wenn es um die Seuchenbekämpfung geht, muss man schon einmal Geld in die
Hand nehmen. Dass in Nigeria z.B. die Situation relativ unproblematisch
geblieben ist, lag (neben der Tatsache, dass es nur einen einzigen
eingeschleppten Fall samt seinen Folgewirkungen in Lagos und Port Harcourt
gab) auch daran, dass das Personal in den eingerichteten Isolierstationen
außergewöhnlich gut bezahlt wurde und, um diese lukrative Einnahmequelle
möglichst lange zu behalten, selbständig auf die Suche nach weiteren
möglichen Kontaktpersonen ging ... Demgegenüber streiken in Sierra Leone
derzeit die Hilfskräfte, weil sie noch nicht einmal die versprochenen
minimalen Gehälter ausbezahlt bekommen haben.

 

Um was es eigentlich jetzt geht, ist keineswegs die Bevölkerung in den drei
bettelarmen betroffenen westafrikanischen Ländern (und die -- zu erwartende
-- Ausbreitung der Seuche in deren unmittelbarer Nachbarschaft). Der Alarm
wird jetzt geschlagen, weil die Ausbreitung in die Länder des Nordens, wie
die USA, droht. Die durch den Globalisierungsprozess erzeugte ungeheure
internationale Mobilität lässt nicht, wie noch 1976 im Kongo, derartige
Epidemien lokal bleiben bzw. erlöschen: Es besteht jederzeit, wie im Falle
Nigerias oder der USA, die Entwicklung von Seuchenherden durch eine einzige
reisende Person.

 

Die internationale pharmazeutische Industrie hat jedenfalls ihre Chance
wahrgenommen. Die einmalige Möglichkeit, die sonst vor der
Medikamentenzulassung üblichen langwierigen Testreihen zu umgehen und sofort
einen großflächigen Menschenversuch zu unternehmen, wird die
Produktionsmaschinerie rasch in Schwung bringen. Ob es etwas nützt, ist
durchaus fraglich. Erstens haben praktisch alle (wirksamen) antiviralen
Medikamente erhebliches Nebenwirkungspotential und zweitens wäre es nicht
das erste Mal (siehe den Skandal um die "Schweinegrippe"), dass ein
derartiges Vorgehen mehr Schaden anrichtet, als es nützt. In jedem Fall aber
ist ein gutes Geschäft in Sicht.

 

Gleiches gilt für die Impfstoffentwicklung, die bisher eher schleppend
verlief -- die Zielgruppe ist ja eher nicht besonders solvent. Ebola gehörte
bisher zu den "orphan diseases" [verwaisten Krankheiten]. Damit werden
eigentlich sehr seltene Krankheiten bezeichnet -- oder solche, bei denen
sich die Entwicklung von Heilmitteln/Impfstoffen mangels Zahlungskraft der
Betroffenen nicht rechnet. Aber da jetzt die internationalen Berufshelfer
vom Roten Kreuz bis hin zur WHO Alarm geschlagen haben, fließen die Gelder
reichlich. Nachdem bereits 1999 (allerdings weniger aus medizinischen, als
aus Gründen der Biowaffenforschung) erste Impfstoffforschungen stattfanden,
kann nun angeblich innerhalb weniger Monate ein Impfstoff auf den Markt
kommen.

 

Die Geschichte des 1967 entdeckten sog. Marburgvirus, einem mit dem
Ebolavirus eng verwandten, ähnlich gefährlichen Erreger, ist diesbezüglich
paradigmatisch: Als es entdeckt wurde, begann ein regelrechter
Forschungshype, allerdings nicht etwa, weil man den Betroffenen helfen
wollte, sondern weil die damalige Sowjetunion angeblich das Virus auf seine
Verwendung als Biokampfstoff testete und eine Simulation aus den USA ergab,
dass ein Einsatz des Virus einen ökonomischen Schaden von 26 Milliarden US
Dollar pro 100 000 Infizierte anrichten könne. Das, und nicht die Gefährdung
der afrikanischen Bevölkerung, führte dann zur Impfstoffentwicklung -- bis
dahin waren weltweit lediglich rund 460 Menschen an dem Virus verstorben,
davon die meisten 2004/2005 in Angola.

 

 

FAZIT

 

Das alles soll notabene nicht heißen, dass man besser nichts unternehmen
sollte. Aber die derzeitigen Notfallmaßnahmen, die Legionen von Helfern und
Epidemiologen, die jetzt tätig werden, die Einrichtung von
Isolationsstationen und Krankenhäusern, ändern an den obengenannten
soziopolitischen Ursachen derartiger Desaster nichts. Und so werden vor und
nach der Epidemie weiter erheblich mehr Menschen an banalen, behandelbaren
Erkrankungen, an Unterernährung und mangelnder Hygiene sterben als an Ebola.

 

Denn Unwissenheit, Hunger und Unterernährung haben gegenüber einer
Viruserkrankung einen entscheidenden Konkurrenznachteil: Sie sind nicht
ansteckend und können deshalb auch nicht mit dem Flugzeug nach Europa oder
Nordamerika eingeschleppt werden. Sonst würden sie nämlich ebenso schnell
und konsequent bekämpft, wie es derzeit mit dem Ebolavirus geschieht.

 

Solange das aber nicht geschieht, sollte sich niemand darüber beklagen, dass
nach dieser Epidemie die nächste kommen wird.

 

 

Thadeus Pato arbeitet als Arzt in Lagos und ist leitendes Mitglied der IV.
Internationale.

 

 

 

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Aus:   Inprekorr Nr. 6/2014    (Internationale Pressekorrespondenz)

Nachdruck gegen Quellenangabe und Belegexemplar erwünscht

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