[IPK] Klima: COP 21 - Gipfel der Verlogenheit

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So Nov 1 09:05:30 CET 2015


Klima:

COP 21 – Gipfel der Verlogenheit

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Vor mehr als 50 Jahren warnten Wissenschaftler erstmals vor der Gefahr einer
Klimaerwärmung. Die Warnungen wurden schließlich so ernst genommen, dass die
UN und die zuständige Weltorganisation für Meteorologie (WMO) 1988 den
Weltklimarat (Zwischenstaatlicher Ausschuss über Klimaveränderung, IPCC) als
Expertengruppe ins Leben riefen.

 

 

Von Daniel Tanuro

 

 

Seit seiner Gründung hat der Weltklimarat -- ein eigentümliches Konstrukt,
dessen Erkenntnisse zwar von Wissenschaftlern endredaktionell verantwortet
werden, während die (politisch letztlich relevanten) "Zusammenfassungen für
die Entscheidungsträger" jedoch mit staatlichen Vertretern ausgehandelt
werden müssen -- fünf umfangreiche Berichte geliefert. In allen wurde die
Ausgangsthese bestätigt, dass nämlich die Durchschnittstemperatur der
Erdoberfläche ansteigt, dass dieser Anstieg nahezu vollständig auf die
anthropogenen (menschengemachten) Emissionen von Treibhausgas zurückzuführen
ist und dass das wichtigste davon, Kohlendioxid, bei der Verbrennung
fossiler Brennstoffe entsteht [1].

 

Seit über 25 Jahren wird dort immer wieder betont, dass ohne eine erhebliche
Reduktion der Emissionen die Erwärmung zu einem Anstieg der Meeresspiegel,
einer Vervielfachung der extremen Wetterereignisse, einer Verminderung der
landwirtschaftlichen Produktivität, einer Abnahme der Trinkwasserreserven
und einem drastischen Verlust an Biodiversität sowie entsprechenden
gesundheitlichen Folgen führen wird. Es ist also nicht nur ein
Umweltproblem, auch wenn dies das zentrale Problem darstellt.

 

Die fünf Berichte unterscheiden sich voneinander nur durch die wachsende
Präzision und den Grad der Wahrscheinlichkeit der Vorhersagen. Zudem lassen
sich die Vorhersagen mit der Zeit mit den seither gemachten Beobachtungen
korrelieren, was zu der beunruhigenden Schlussfolgerung führt, dass die
Wirklichkeit noch schlimmer als die Modellberechnungen ist. [2]

 

Die fossilen Brennstoffe decken 80 % des weltweiten Energiebedarfs. Die
Energiefrage ist somit die zentrale Problematik. Naomi Klein schreibt dazu:
[3] Wenn die Entscheidungsträger den Stier rasch bei den Hörnern gepackt
hätten, hätten sie (vielleicht) einen relativ sanften Umstieg auf eine
Versorgung mit ausschließlich erneuerbaren Energien mit maximalem
Nutzungsgrad herbeiführen können. Aber sie haben es nicht getan, sodass wir
heute vor einer absolut dringlichen Lage stehen, wo die Bedrohung nur noch
mit sehr drastischen Methoden abgewendet werden kann, die genau denen
entsprechen, die die Entscheidungsträger vermeiden wollten.

 

 

DAS LACHHAFTE KYOTO-PROTOKOLL

 

Der Weltgipfel in Rio 1992 hatte mit viel Pomp eine Klimarahmenkonvention
(Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen, UNFCCC)
alle Länder dieselbe historische Verantwortung für die Erwärmung tragen und
nicht dieselben Kapazitäten haben, ihr entgegenzuwirken.

 

Gemäß dem Grundsatz der "gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung"
und der unterschiedlichen Kapazitäten haben die Industrieländer auf der
Dritten Vertragsstaatenkonferenz (COP 3) das Kyoto-Protokoll vereinbart,
wonach sie sich verpflichteten, ihre Emissionen zwischen 2008 und 2012 um
5,2 % auf der Basis von 1990 zu reduzieren.

 

Der Beitrag, den die Industrieländer hätten zugestehen müssen, war
lächerlich, zumal er mit Taschenspielertricks erzielt werden konnte, wovon
die beiden wichtigsten der Emissionshandel mit Zertifikaten, die den
Unternehmen gratis und im Übermaß zugeteilt wurden, und die Berechtigung der
Industrieländer sind, die Reduzierung der Emissionen im eigenen Land durch
den Kauf von Emissionsgutscheinen zu kompensieren, die durch angeblich
"saubere" Investitionen (was i.d.R. ein Hohn ist) oder durch
Waldschutzmaßnahmen (zulasten der indigenen Bevölkerung) in den
"Entwicklungsländern" generiert werden. [4] Nichtsdestotrotz weigerten sich
die USA, das Protokoll zu ratifizieren.

 

Kyoto war Augenwischerei, was entscheidend zum Scheitern der Klimakonferenz
in Kopenhagen beitrug, wo ein Weltklimaabkommen hätte erzielt werden sollen.
Die Länder des Südens warfen den Industrieländern vor, kein konkretes
Engagement aufzubringen. Obwohl insgesamt zutreffend, war dieser Vorwurf
nicht frei von Hintergedanken, v. a. seitens der großen "Schwellenländer"
und der ölexportierenden Länder, die darauf bedacht sind, dass die heimische
Wirtschaft möglichst lange durch ihre fossilen Energiereserven floriert.

 

Am Ende einer chaotischen Vollversammlung, auf der Hugo Chávez und Evo
Morales lautstark intervenierten, wurde eine Erklärung "zur Kenntnis
genommen", wiewohl nicht offiziell verabschiedet, die hinter den Kulissen
von den USA und China ausgehandelt worden war, den beiden größten
Umweltverschmutzern (mit freilich -- historisch bedingt -- unterschiedlich
großer Verantwortung für die Klimaerwärmung).

 

 

KOPENHAGEN ODER "JEDER MACHT, WAS ER WILL"

 

Kopenhagen war ein Reinfall und zugleich aber ein Paradigmenwechsel in der
Methodik, weil sich die Teilnehmer darauf verständigten, das
Top-Down-Prinzip fallen zu lassen, das bedeutet hätte, das weltweit noch
verfügbare "Emissionsbudget" festzulegen und es entlang der jeweiligen
Verantwortung und Kapazität der Länder zu verteilen.

 

Ein Emissionsbudget festzulegen bedeutet sich auf die Menge X an
Kohlendioxid zu verständigen, die noch in die Atmosphäre emittiert werden
kann, um eine maximale Erwärmung von Grad Y einzuhalten. Dies ist die
einzige Methode, die sowohl wissenschaftlich genau als auch unter dem Aspekt
der unterschiedlichen Verantwortung -- potentiell -- gerecht ist. Ihre
"Kehrseite" allerdings liegt darin, dass daraus ganz eindeutige ökologische
Verpflichtungen erwachsen und die unterschiedliche Verantwortung in jedem
Fall überprüft werden muss. [5]

 

Da sich alle Regierungen Spielräume offen lassen wollten, entschied die
Konferenz, dass jedes Land seinen eigenen Klimaplan, die sog. "angestrebten
nationalen Beiträge" (INDC) dem Sekretariat der UN-Klimarahmenkonvention
mitteilen solle und die Verhandlungen auf dieser Grundlage stattfinden
sollen, will heißen, es regiert das Prinzip völliger Beliebigkeit.

 

Außerdem wurde in Kopenhagen die Schaffung eines "Grünen Klimafonds"
beschlossen, über den die Industrieländer den Entwicklungsländern bei der
Anpassung an und Eingrenzung des Klimawandels helfen sollen. Der Gipfel in
Cancún im Jahr darauf legte dafür eine jährliche Summe von 100 Mrd. Dollar
ab 2020 fest, aber der Fonds, der hauptsächlich von der Weltbank verwaltet
wird, enthält noch nicht einmal ein Zehntel dieser Summe -- und die
Regierungen der Industrieländer denken dabei eher an Darlehen denn an
Spenden ...

 

 

NICHTS ALS SONNTAGSREDEN

 

Fast 20 Jahre nach der Klimakonferenz von Rio wurde in Cancún eine Zahl als
zentrales Ziel der Klimarahmenkonvention genannt, und zwar wurde
entschieden, dass eine Temperaturerhöhung um 2 °C im Vergleich zum
vorindustriellen Zeitalter die "Gefahrengrenze" darstellt, die ggf. entlang
neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse auf 1,5 °C korrigiert werden könne.
Auf den ersten Blick ist dies ein positiver Beschluss, der an entscheidender
Stelle jedoch zwei Mankos aufweist.

 

Die erste Einschränkung ist politischer und wissenschaftlicher Natur: Die
Festlegung auf 2 °C als Gefahrenschwelle ist sehr umstritten. Sie geht auf
eine Studie des Wirtschaftswissenschaftlers Nordhaus zurück, der sich darauf
festlegte, weil sie scheinbar einer Verdopplung der CO2-Konzentration in der
Atmosphäre entspricht. Bereits in einem Bericht des Stockholmer
Umweltinstituts von 1990 hieß es, dass besser 1 °C nicht überschritten
werden soll, aber das Maximum von 2 °C setzte sich dann später durch, als
sich die EU-Kommission dieses Ziel zu eigen machte.

 

Trotzdem ist die Messe noch nicht gelesen. In Cancún haben über 100 Länder
-- kleine Inselstaaten und LLDC -- wieder gefordert, den Schwellenwert auf
1,5 °C festzusetzen. Es wurde beschlossen, der Frage nachzugehen und dafür
auf dem COP 18 in Doha ein "strukturierter Expertendialog" ins Leben
gerufen. Aus dem daraus entstandenen Bericht vom Mai 2015 geht hervor, dass
eine Erwärmung von 2 °C zu gefährlich sei und ein Ziel von 1,5 °C die
Risiken verringern würde. [6] Als Beispiel für diese Risiken wird von Anders
Levermann, einem der Leitautoren des Kapitels über den Anstieg des
Meeresspiegels im vierten Bericht des IPCC, geschätzt, dass bei jedem
zusätzlichen Grad (wir sind schon bei 0,8 °C) im Gleichgewichtszustand der
Meeresspiegel um 2,3 Meter steigen würde. [7] Zwar fehlen weltweite Daten
über die Bevölkerungsdichte in einer bestimmten Höhe über dem Meeresspiegel,
aber es wird angenommen, dass ein Meter die Vertreibung von Hunderten von
Millionen Menschen bedeuten wird. Nicht auszudenken, was also bei 4,6 Metern
geschieht.

 

Das zweite Manko ist methodologisch. Es sind keine Maßnahmen vorgesehen, um
die Klimapläne (INDC) anzupassen, damit das Zwei-Grad-Ziel tatsächlich
eingehalten werden kann. Das System des Selbstbedienungsladens erlaubt es
den Protagonisten, sich vor den Medien aufzuplustern und zu erklären, "die
Situation ist unter Kontrolle, wir tun alles, um die Zwei-Grad-Grenze nicht
zu überschreiten", ohne jedoch die Anforderungen dafür im Geringsten zu
erfüllen.

 

Dies ist keineswegs übertrieben. Die globalen Emissionen sind in den 80er
Jahren um 1 % jährlich gestiegen und heute steigen sie doppelt so schnell.
Bei diesem Rhythmus wird, wenn nichts geschieht, die Erwärmung bis zur
nächsten Jahrhundertwende um 6 °C steigen. Auf längere Zeit würde die
Temperatur wohl gar um 11 °C steigen. [8]

 

Dass die Regierungen ein Abkommen in Paris unterzeichnen werden, ist
wahrscheinlich, aber nicht sicher. Sicher aber ist, dass die Großkonzerne
hinter dem Problem des Klimawandels nur eine Möglichkeit sehen, "neue
Märkte" zu erschließen: Handel mit Emissionsrechten und erneuerbaren
Energien, CO2-Abscheidung und -Speicherung, Ausbeutung von Ressourcen,
Anpassungsmaßnahmen (natürlich im neoliberalen Sinn, was die
Privatisierungen, insbesondere des Wassers, impliziert). Diese ganze Politik
wurde im Einverständnis mit den Unternehmen ausgearbeitet, wie man im
letzten Mai auf dem "Gipfel der Unternehmen für das Klima" in Paris sehen
konnte.

 

Ebenfalls sicher ist, dass das mögliche Abkommen nur Augenwischerei sein
wird. Dies wurde schon mit dem Abkommen Ende 2014 zwischen den USA und
China, den beiden größten Umweltverschmutzern, klar. Im günstigsten Falle,
wenn also die EU ihre Selbstverpflichtung einhält, die Emissionen um 40 %
bis 2030 einzuschränken (was an sich schon ungenügend ist und von den oben
genannten Taschenspielertricks noch unterminiert wird), die anderen
Industriestaaten sich den Klimazielen der USA anschließen (eine Zielsetzung,
die bis 2025 eine Reduktion vorsieht, die nur leicht höher ist als jene,
welche die USA im Rahmen des Kyoto-Protokolls bis 2012 hätten erreichen
sollen) und die Entwicklungsländer die Zielsetzung Chinas übernehmen (keine
absolute Emissionsreduktion vor 2030), werden wir bis 2100
höchstwahrscheinlich auf eine Erwärmung von 3,6 °C zusteuern. Dies würde dem
Temperaturanstieg seit der letzten Eiszeit vor 20 000 Jahren entsprechen,
nur eben binnen weniger als einem Jahrhundert. Eine unsagbare,
unvorstellbare und schreckliche Katastrophe. Präziser ausgedrückt, ein
Verbrechen, das die COP 21 kaschieren soll.

 

 

PRODUKTIVISMUS VS. KLIMARETTUNG

 

Die Ursachen dieser Situation liegen nicht darin, dass es technologisch
unmöglich wäre, den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen umzusetzen, oder
im demographischen Wandel, sondern in der Natur des kapitalistischen
Wirtschaftssystems. "Ein Kapitalismus ohne Wachstum ist ein Widerspruch in
sich.", sagte bereits Schumpeter. Niemand kann dies heute noch negieren: Es
ist das Hauptproblem. Das Klima zu retten bedeutet, die Emissionen so
drastisch zu senken, dass dies eine entscheidende Reduktion des
Energiekonsums zur Voraussetzung hat. Eine derartige Reduktion ist jedoch
nicht ohne eine spürbare Abnahme der Verarbeitung und des Transportes von
Rohstoffen -- mit anderen Worten: ohne auf Wachstum zu verzichten --
möglich.

 

Die Fortschritte in der effektiveren Nutzung der Energien helfen uns auch
nicht, diesen physischen Einschränkungen zu entfliehen. Abgesehen von diesen
physischen Grenzen gilt auch, dass diese technischen Fortschritte vom
"Rebound-Effekt" kompensiert werden, nämlich dass ersparte Energie dazu
benutzt wird, etwas anderes zu produzieren oder das gleiche in größeren
Mengen. Dies ist unumgänglich, solange die Logik der Produktivität, die
Unternehmerfreiheit und die Konkurrenz der Märkte die Regeln bestimmen.

 

Neue Technologien liefern ebenso wenig eine Lösung. Hier kann man davon
ausgehen, dass der letzte Bericht der IPCC ein falsches Bild der Realität
zeichnet. Laut diesem Bericht kann unter den zugrunde gelegten
Voraussetzungen (dass das wirtschaftliche Wachstum konstant bleibt) die
Zwei-Grad-Grenze nur eingehalten werden, wenn die Emissionen des weltweiten
Energiesystems ab 2070 negativ werden (in anderen Worten, wenn das System
mehr CO2 aufnimmt als ausstößt). Um dieses Resultat zu erreichen, greifen
alle Szenarien auf die massive Nutzung von Biomasse mit CO2-Abscheidung und
--Speicherung zurück. Die Arbeiten der Gruppe III des IPCC kommen aber zum
Schluss, dass es erstens keine Beweise gibt, dass diese Technologie sicher
ist und dass zweitens keine Garantie besteht bezüglich der sozialen und
ökologischen Konsequenzen dieser Technologie. [9] Diese Folgen sind jedoch
möglicherweise sehr schwerwiegend, weil einerseits der Anbau zur
Nahrungsmittelerzeugung mit dem von Energielieferanten konkurriert und
andererseits die Biodiversität dadurch beeinträchtigt wird.

 

Tatsächlich haben alle Szenarien, die vorgeben, das Wachstum und den
Übergang zu einem System ohne Treibhausgasemissionen, also unter Einhaltung
der Zwei-Grad-Grenze, zu vereinen, den Fehler, die Wurzel aller Probleme
namens Kapitalismus nicht zu berücksichtigen. [10] Aber "Kapitalismus" und
"Wachstum" sind bei den Forschern des IPCC Tabuthemen.

 

In einer Analyse des Textes, der als Basis für die Verhandlungen in Paris
dienen wird, hat Pablo Solon die Aufmerksamkeit auf einen anderen wichtigen
Punkt gelenkt, der auf anderem und spezifischerem Weg zu den selben
antikapitalistischen Schlussfolgerungen gelangt: Obwohl die
Selbstverpflichtungen zur Emissionsreduktion bis 2030 zentral für das
Erreichen des Zweigradziels sind, fehlen sie im Vorbereitungstext. Zu Recht
bringt der ehemalige UNO-Botschafter von Bolivien diesen Umstand mit der
Methode des Selbstbedienungsladens in Verbindung. Dahinter steckt jedoch
eine weitere Frage: Warum schweigt man sich über die Frist von 2030 aus?

 

Drei Elemente geben eine Antwort und alle haben etwas mit den finanziellen
Mitteln zu tun, aus denen die Leugner des Klimawandels schöpfen: erstens die
kapitalisierten Reserven an fossilen Brennstoffen, zweitens die
Amortisierung des (zu 80 % auf fossilen Brennstoffen basierenden)
Energiesystems und drittens der Einfluss des Finanzkapitals, das hinter den
beiden erstgenannten Punkten steht.

 

Um das Klima zu retten müssten erstens die Erdöl-, Gas- und Kohleunternehmen
darauf verzichten, vier Fünftel der Reserven, die sie besitzen, auszubeuten.
Diese Reserven sind Teil ihrer Aktiva und bestimmen ihre Börsenquotierung.
[11] Zweitens müsste ein Großteil des globalen Energiesystems, das ein
Fünftel des weltweiten Bruttosozialprodukts darstellt, verschrottet werden.
[12] Dies würde in beiden Fällen zum Platzen einer enormen Blase und zu
einer riesigen Finanzkrise führen.

 

 

WELCHE GESELLSCHAFT WOLLEN WIR?

 

Der COP 21-Gipfel verspricht, ein Gipfel der Lüge, der Geschäfte und des
Klimaverbrechens zu werden. Gibt es keinen Widerstand, führt das System
weiter in Richtung sozialer und ökologischer Zerstörung. Daher täuschen die
Begriffe der "Klimakrise" oder des "vom Menschen beeinflussten
Klimawandels". Die Situation muss vielmehr unter dem Gesichtspunkt der
Systemkrise und der historischen Sackgasse des Kapitalismus betrachtet
werden. In diesem Kontext müssen auch die Gegenstrategien entwickelt werden.
Die antikapitalistische Linke steht vor der Herausforderung, eine
Gesellschaft zu konzipieren, die nicht produktivistisch ist, und Praktiken,
Forderungen und Organisationsformen zu entwickeln, die dieses Projekt
umsetzen können.

 

Eine große Mobilisierung ist im Gange, die ihren vorläufigen Höhepunkt in
Paris anlässlich des Klimagipfels finden sollte, aber in der Folge darüber
hinausgehen muss. Die dafür aktiven Organisationen wollen erreichen, dass
dort alle Bewegungen der Ausgebeuteten und Unterdrückten zusammenfinden. Die
Bauerngewerkschaften sowie die indigenen Bevölkerungsgruppen sind an
vorderster Front bei der Eroberung gemeinschaftlicher Lebensgrundlagen. In
diesen Kämpfen spielen die Frauen eine entscheidende Rolle. Große Teile der
Jugend sind gleichfalls bereits an Kämpfen gegen große Infrastrukturprojekte
mit fossilen Energieträgern beteiligt. Aber die Arbeiterbewegung ist im
Hintertreffen.

 

Selbstverständlich beteiligen sich die Gewerkschaften an den
Mobilisierungen. Aber es geht darum, die ArbeiterInnen davon zu überzeugen,
dass dieser Kampf auch der ihrige ist und daher täglich geführt werden muss.
Dies ist eine schwierige aber entscheidende Herausforderung. Ein solches
Ziel kann nur mittels einer Demokratisierung der Gewerkschaften sowie einer
antikapitalistischen Radikalisierung ihrer Programme und Aktionsformen
erreicht werden. Ansonsten bleibt der "gerechte Übergang zu einer Wirtschaft
ohne Kohlenstoffemissionen", wie er vom Internationalen Gewerkschaftsbund
gefordert wird, nur ein Anhängsel einer kapitalistischen Strategie und deren
Konsequenzen. [13]

 

Das Zusammenwachsen dieser Bewegungen unterstreicht die Notwendigkeit, ein
nicht-kapitalistisches Gesellschaftsmodell auszuarbeiten, das den
Anforderungen unserer Zeit gerecht wird, ein ökosozialistisches Modell, das
die Befriedigung der realen menschlichen Bedürfnisse anstrebt, die unter
Berücksichtigung der ökologischen Zwänge demokratisch bestimmt werden.
Selbst wenn dieses dezentralisierte, selbstverwaltete, feministische und
internationalistische Projekt -- das nicht den Illusionen einer
"Beherrschung der Natur" und des "immer mehr" verfällt -- noch nicht
ausgereift ist, ist es dennoch bereits in den vielen Kämpfen für
Emanzipation sichtbar. Es gibt keine dringendere Aufgabe, als es weiter
ausreifen zu lassen.

 

 

Übersetzung: MiWe 

 

 

 

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Aus:   Inprekorr Nr. 6/2015    (Internationale Pressekorrespondenz)

Nachdruck gegen Quellenangabe und Belegexemplar erwünscht

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[1] Etwa 5 % sind auf vermehrte Sonnenstrahlung zurückzuführen.

[2] Dies betrifft besonders den Anstieg der Meeresspiegel, der bei 3 mm/Jahr
liegt statt der vorhergesagten 2 mm.

[3] Naomi Klein Die Entscheidung: Kapitalismus vs. Klima, März 2015

[4] Zunächst war der EU-Emissionshandel (ETS) der einzige Markt dieses
Systems, wurde aber zwischenzeitlich durch weitere Märkte in Teilen Chinas
und der USA erweitert. Die "sauberen" Investitionen in den
"Entwicklungsländern", die Gutscheine abwerfen, stellen den sog. Mechanismus
für umweltverträgliche Entwicklung (CDM) dar und die Waldschutzmaßnahmen
sind Teil des "REDD+"-Konzepts.

[5] Nach verschiedenen Schätzungen wird das verfügbare Emissionsbudget unter
Beibehaltung des gegenwärtigen Rhythmus der Emissionen 2030 erschöpft sein,
wenn eine Erwärmung um 2 °C nicht überschritten werden soll.

[6] http://climateanalytics.org/files/briefing_sed_report.pdf

[7] http://www.realclimate.org/index.php/archives/
2013/08/the-inevitability-of-sea-level-rise/

[8]
http://www.washingtonpost.com/national/health-science/world-on-track-for-nea
rly-11-degree-temperature-rise-energy-expert-says/2011/11/28/gIQAi0lM6N_stor
y.html. Siehe auch: K. Anderson, op. cit., oder James Hansen et al.
http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0081648

[9]
http://paristext2015.com/2015/06/1-5-degrees-celsius-or-2-degrees-maybe-its-
turtles-all-the-way-down/ Siehe auch:
http://www.nature.com/nclimate/journal/v4/n10/full/nclimate2392.html

[10] Dies trifft auch auf die Szenarien der NGOs zu, wie jene der Energy
Revolution von Greenpeace oder der französischen Negawatt.

[11] http://www.carbontracker.org/report/carbon-bubble/

[12] World Economic and Social Survey 2011, "The Great Green Technological
Transformation"

[13] http://www.ituc-csi.org/international-trade-unions-to?lang=fr

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