[IPK] Dänemark: Gewerkschaften heißen Flüchtlinge willkommen "im Team"

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Mo Nov 16 23:38:42 CET 2015


Dänemark:

Gewerkschaften heißen Flüchtlinge willkommen "im Team"

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Die dänische SAP begrüßt, dass die ersten Gewerkschaften auf die Flüchtlinge
zugehen

 

Mehrere Gewerkschaften gehen jetzt in die Offensive und heißen Flüchtlinge
willkommen als Kollegen im Tarifvertrag. Es ist wichtig, diese solidarische
Linie auszuweiten und zu entwickeln -- um eine rassistische Spaltung zu
verhindern, die auf verschiedene Weise katastrophale Folgen haben kann.

 

Eine der großen Gewerkschaften in der Hauptstadt, 3F Kopenhagen, nimmt jetzt
das Blatt vom Mund und gibt ihre klare Unterstützung dafür, dass Flüchtlinge
ordentlich behandelt werden sollen. Dies geschieht in einer Erklärung, die
der Vorsitzende der Gewerkschaft, Bjarne Høpner, auf der Generalversammlung
am Montag [16.11.2015] vorstellen wird.

 

"Wir wenden uns gegen jede Form von Rassismus und Ideen die Flüchtlinge in
spezielle Lager einzusperren, ohne Zugang zu Bildung und die Möglichkeit, im
Rahmen dänischer Tarifverträge zu arbeiten. Wir heißen alle Flüchtlinge
willkommen ?im Team?", schreiben sie.

 

3F Kopenhagen ist nicht alleine mit diesem Signal; auch andere
Gewerkschaften unterstützen eine offene gewerkschaftliche Linie gegenüber
den Flüchtlingen. Und das ist auch gut so, denn es ist höchste Zeit, dass
auch die Gewerkschaften sich mit klaren und eindeutigen Positionen in dieser
Frage zu Wort melden. Das ist nämlich nicht einfach, denn auch Mitglieder
der Gewerkschaften werden von den Einstellungen beeinflusst, die in der
Gesellschaft allgemein herrschen: Vorurteile, Fremdenfeindlichkeit und
Rassismus sind keine unbekannte Phänomene unter den Kollegen am
Arbeitsplatz.

 

 

WEHRT DEN ANFÄNGEN: NIE WIEDER KRISTALLNACHT 

 

Die Herausforderung besteht darin, dass, wenn niemand die Initiative
ergreift und einen Standard für einen solidarischen und kollegialen Ton in
der Halle, auf dem Platz und in der Kantine setzt, dann wird das sprachliche
Abgleiten nach rechts weitergehen, das die die öffentliche Debatte dominiert
-- nicht zuletzt auf Facebook und ähnlichen Medien. Hier wird der Hass in
oft unfassbarer Dosierung verspritzt.

 

Aber nicht nur das. Auch das Abgleiten hin zu Aktionen, die die natürliche
Verlängerung von Einstellungen sind, wird zunehmen. Man muss nur nach
Schweden schauen, wo Flüchtlingsunterkünfte niedergebrannt werden. Oder sich
in Europa umschauen, wo Rechtsextremisten und Nazis den Abstand zwischen
Wort und Tat immer weiter verringern, wenn es um Flüchtlinge geht. Eine
Entwicklung, die eine erschreckende Parallele im Deutschland der
Zwischenkriegszeit findet, wo die Juden für alle unglücklichen Folgen des
Kapitalismus schuldig gemacht wurden: Arbeitslosigkeit, Armut, Korruption
und so weiter. Eine Entwicklung, die das Pogrom vom 9. November 1938 -- die
"Reichskristallnacht" -- ohne Widerstand möglich machte, und ein paar Jahre
später Waggon um Waggon in die Konzentrationslager und Gaskammern rollen
ließ. Davor waren politisch Aktive aus der Arbeiterbewegung, den
Gewerkschaften und andere bekämpft, eingesperrt und ermordet worden.

 

Sind wir heute schon wieder soweit? Sind wir auf dem Weg zu den Gaskammern?
Gibt es politische Gefangene in Europa in einer Weise, die sich auch nur
ansatzweise mit der Lage im Deutschland der 1930er Jahre vergleichen lässt?
Nein, aber das Problem ist, dass, wenn wir jetzt nicht Widerstand leisten,
wenn wir uns jetzt nicht jetzt nicht gegen Fremdenfeindlichkeit und
Rassismus organisieren, dass dann die Gefahr besteht, dass wir plötzlich --
ohne es wirklich zu bemerken -- die ersten Schritte auf diesem Weg gehen:
Transitzonen und geschlossene Asylzentren ändern den Charakter von
notwendigen Verwaltungsapparaten, die Asylsuchenden helfen, ihre Rechte zu
bekommen, hin zu tatsächlichen Lagern. Mit allem, was das bedeutet. Zu
behaupten, dass dies eine Übertreibung sei, ist Ausdruck eines frommen, aber
naiven Wunschdenkens.

 

 

SOLIDARITÄT IST EINE LEBENSNOTWENDIGKEIT FÜR DIE GEWERKSCHAFTSBEWEGUNG

 

Eine solche Entwicklung zu stoppen, ist heute nicht nur eine Aufgabe für die
Gewerkschaften. Es ist eine Aufgabe für alle fortschrittlichen Menschen.
Aber die Gewerkschaften haben eine ganz besondere Aufgabe: nämlich für eine
feste Haltung in der Verteidigung von Solidarität und Menschlichkeit unter
den Kollegen zu kämpfen.

 

Dies umfasst sowohl Worte als auch Taten, um der Rahmen dafür zu sein, dass
diese Solidarität Realität wird. Daher ist es von entscheidender Bedeutung,
dass die Gewerkschaften nach der Erklärung ihrer Solidarität weitergehen und
auch und den nächsten Schritt nehmen, nämlich entschlossene Anstrengungen,
um die Flüchtlinge zu organisieren. Denn wenn die Gewerkschaften nicht aktiv
die Hand reichen und die Kolleginnen und Kollegen integrieren, dann besteht
die Gefahr, dass die Flüchtlinge nicht nur von den Unternehmern missbraucht
werden, die ihren Vorteil darin sehen sie als Lohndrücker gegen
Gewerkschaften und Tarifverträge einzusetzen. Mehr als zehn Jahre Erfahrung
damit, wie Hintermänner es verstanden haben, osteuropäische Migranten zu
missbrauchen, zeigen, wohin die Reise geht. [1]

 

Wenn die Gewerkschaften die Gelegenheit nicht nutzen, ist die Gefahr groß,
dass Grundwerte wie Solidarität und Internationalismus zu Floskeln und
leeren Begriffen werden. Das darf nicht geschehen. Und es muss nicht
geschehen. Aber wenn die Gewerkschaftslinke, darunter viele gewerkschaftlich
Aktive in der Enhedslisten, sich nicht aktiv dafür einsetzen, gibt es keine
Garantie dafür, dass es nicht geschehen kann.

 

 

Vorstand der SAP, 7. November 2015

Die SAP (Socialistisk Arbejderparti) ist die dänische Sektion der Vierten
Internationale und aktiver Teil der rot-grünen Enhedslisten.

Übersetzung aus dem Dänischen: Björn Mertens

 

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Aus: Inprekorr (Online-Ausgabe) Nr. 6/2015  (Internat.Pressekorrp.)

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[1]  Anspielung  an eine TV-Dokumentation "Østarbejdernes bagmænd" (Die
Hintermänner der Ostarbeiter) -- Anm. d. Üb.

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