[IPK] Verrat an den Kurdinnen und Kurden

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Mi Okt 16 07:14:59 CEST 2019


USA/Kurdistan

Verrat an den Kurdinnen und Kurden

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Durch den Abzug der Truppen hat US-Präsident Trump den Weg für Erdogans
Angriff auf den kurdischen Teil Syriens frei gemacht.

 

 

Von David Finkel

 

 

Donald Trumps verräterischer Ausverkauf der syrischen Kurd*innen
bewahrheitet wieder einmal den alten Spruch, dass der Imperialismus "keine
permanenten Freunde, sondern nur permanente Interessen hat". Es ist wahr,
dass der ultimative Verrat an den Kurd*innen fast unausweichlich war -- wie
es so oft schon zuvor geschehen ist. Aber die besondere Art und Weise, wie
Trump es getan hat -- direkt nach einem Telefonat mit seinem türkischen
Autokraten-Kumpel Erdogan, ohne das Pentagon, das Außenministerium, die
Mitarbeiter der "nationalen Sicherheit", wichtige Verbündete oder sonst
jemanden außer seiner eigenen großen und unerreichten Weisheit zu befragen
-- ist wirklich spektakulär . Und natürlich fädelt es sich in einer Weise in
das US-amerikanische Gewirr ein, die es noch zu entheddern gilt.

 

Ich denke, wir können ziemlich sicher vermuten, dass das Protokoll des
Trump-Erdogan-Telefongesprächs auf demselben "klassifizierten" Server
gespeichert wurde, auf dem der "quid pro quo"-Anruf [1] des ukrainischen
Präsidenten Selenskyj und (wie wir erfahren haben) die vieler anderer
ausländischer Staats- und Regierungschefs versteckt sind, um sie vor
Whistleblower*innenn und Ermittler*innen des Kongresses zu schützen. Es mag
unangenehm sein, wenn herauskäme, dass Trump dafür gesorgt hat, dass Erdogan
wusste, dass die Bahn für seine lange geplante Invasion in Nordsyrien frei
war.

 

Im aktuellen Fall gab es nicht einmal ein materielles imperiales Interesse
daran, abzuziehen und die kurdischen Streitkräfte und die Zivilbevölkerung
allein zu lassen. Es war nur Trumps Laune. Man sollte daran denken, dass die
US-Truppe im Nordosten Syriens kaum eine große Schlagkraft hat. Sie ist
(oder war) eine kleine Präsenz als Stolperdraht gegen das Eindringen der
Türkei und als logistische / nachrichtendienstliche Unterstützung für die
kurdischen Streitkräfte im Kampf gegen den "Islamischen Staat" (IS). Ihr
Abzug bedeutet nicht, dass sich die USA aus den "endlosen Nahost-Kriegen"
zurückziehen würde, wie der große Trottel behauptet -- diese Truppen werden
nicht nach Hause kommen, sie werden im Irak oder irgendwo sonst in der Nähe
wieder eingesetzt.

 

Nach diesem Schritt plusterte sich Trump auf, dass er die türkische
Wirtschaft "zerstören" werde, wenn ihre Invasion einige nicht näher
festgelegte "Grenzen" überschreite. Niemand nimmt dieses Gefasel ernst --
nicht Erdogan, nicht die Zehntausende flüchtender Zivilisten, nicht die
europäischen Verbündeten der Vereinigten Staaten, nicht das syrische Regime
oder der Iran oder Russland, die darüber nachdenken, wie sie in das Vakuum
eindringen könnten, und nicht der IS, dessen potenzielle Wiederbelebung in
den Hauptstädten der Welt zu Recht befürchtet wird.

 

 

"SIE HABEN UNS NICHT IN DER NORMANDIE GEHOLFEN" 

 

In seinem post-facto-Geschwätz räumte Trump ein, dass die Kurd*innen in
Syrien gegen den IS gekämpft hätten, sagte aber, sie hätten dies getan, um
"ihr eigenes Land" zu schützen (natürlich!); und "sie haben uns nicht in der
Normandie geholfen" (wie bitte??).

 

Es ist tragisch, dass die internationale Linke nicht in der Lage ist, die
kurdischen Streitkräfte und die Menschen, die nach Freiheit und
Selbstbestimmung streben, und das fortschrittliche Rojava-Projekt, das sie
inmitten des syrischen Gemetzels errichtet haben, materiell oder mit Waffen
zu unterstützen. Alles, was wir haben, sind unsere Stimmen, die verlangen,
dass die Vereinten Nationen und Europa dem türkischen Regime sofort
Sanktionen auferlegen.

 

Die unmittelbare Perspektive ist ein brutaler Konflikt zwischen mehreren
konterrevolutionären Kräften -- der Türkei, dem Iran und Russland, dem
Assad-Regime und dem IS. Wir können den Ausgang oder das Ausmaß der
Todesopfer oder einer neuen Flüchtlingskrise nicht vorhersagen.  Ein
Ergebnis könnte sein, dass den Vereinigten Staaten und ihren Versprechungen
nie wieder vertraut wird. Das wäre an sich schon eine gute Lektion, aber die
menschlichen Kosten sind viel zu hoch.

 

 

11. Oktober 2019

 

 

David Finkel ist Redakteur von /Against the Current/, die von der
US-amerikanischen sozialistischen Organisation Solidarity
(https://www.solidarity-us.org ) herausgegeben wird.

 

 

Übers.: Björn Mertens

 

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Aus: die internationale (Online-Ausgabe) Nr. 6/2019 

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[1]  Römischer Rechtsgrundsatz, etwa: keine Leistung ohne Gegenleistung

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