[IPK] Afghanistan: Die US-Besatzung hat nur Menschenleben gekostet -- Der Sieg der Taliban ist kein Zeichen des Friedens

Inprekorr-Webmaster webmaster at inprekorr.de
Di Aug 17 20:33:36 CEST 2021


Afghanistan:

Die US-Besatzung hat nur Menschenleben gekostet -- Der Sieg der Taliban ist
kein Zeichen des Friedens

-------------------------------------------------------------------

 

Es ist nun offensichtlich, dass der US-Imperialismus seine gesamten
personellen und finanziellen Investitionen in Afghanistan verloren hat. Die
Taliban haben Afghanistan fast kampflos eingenommen. Was in den letzten 20
Jahren in Afghanistan im Namen der Entwicklung, der "Demokratie" und der
Ausbildung der Streitkräfte ausgegeben wurde, war beispiellos in der
Weltgeschichte.

 

 

Von Farooq Tariq

 

 

Nach Angaben des "Cost of War Project" haben die Vereinigten Staaten 2226
Milliarden Dollar in Afghanistan investiert. Mit diesem Geld hätte man
Grundbildung und Gesundheitsversorgung in der ganzen Welt sicherstellen
können. Einem Bericht des US-Verteidigungsministeriums aus dem Jahr 2020
zufolge haben die Vereinigten Staaten 815,7 Milliarden Dollar für
Kriegskosten ausgegeben. Das ist siebenmal mehr als die gesamten
Auslandsschulden von Pakistan, die sich derzeit auf 116 Mrd. Dollar
belaufen. Der überstürzte Abzug der Amerikaner aus Afghanistan und der
Zusammenbruch der Regierung von Ashraf Ghani bedeuten, dass die gesamten
US-Investitionen nun den Taliban übergeben werden, ohne dass eine einzige
Kugel abgefeuert wurde.

 

Die Zahl der Opfer in diesem Krieg lässt sich anhand der Tatsache
abschätzen, dass bis April 2021 47 235 Zivilist*innen, 72 Journalist*innen
und 444 Mitarbeiter*innen von Hilfsorganisationen in diesem Krieg getötet
wurden. Auch 66 000 afghanische Soldaten fielen diesem Krieg zum Opfer.

 

Die Vereinigten Staaten verloren 2442 Soldaten, 20 666 wurden verwundet.
Darüber hinaus wurden 3800 private Sicherheitskräfte getötet. An den
NATO-Truppen in Afghanistan waren Soldat*innen aus 40 Ländern beteiligt.
1144 Soldat*innen von diesen Truppen ihnen wurden getötet.

 

Die Zahl der Menschen, die außerhalb des Landes Zuflucht gesucht haben,
beläuft sich auf 2,7 Millionen, während 4 Millionen innerhalb des Landes
vertrieben worden sind. Der US-Imperialismus hat zur Finanzierung dieses
Krieges üppige Kredite aufgenommen. Er zahlte schätzungsweise 536 Milliarden
Dollar allein an Zinsen. Darüber hinaus wurden 296 Milliarden Dollar für
medizinische und andere Ausgaben für die zurückkehrenden Kampftruppen
ausgegeben.

 

88 Milliarden Dollar wurden für die Ausbildung der 300 000 afghanischen
Soldaten ausgegeben, die sich kampflos ergeben, 36 Mrd. Dollar für
Wiederaufbauprojekte wie Dämme oder Autobahnen, 9 Mrd. Dollar als
Entschädigung ausgegeben, damit die Afghanen keinen Mohn anbauen und kein
Heroin verkaufen.

 

Die Amerikaner*innen dachten, die "Entwicklung" werde die Afghan*innen davon
überzeugen würde, sich nicht auf die Seite der Taliban zu stellen. Dies ist
jedoch nicht geschehen (obwohl die Popularität der Taliban ebenfalls in
Frage stand), und die Armut wurde dadurch auch nicht beseitigt. Gegenwärtig
liegt die Arbeitslosenquote in Afghanistan nach Schätzungen der Weltbank bei
25 % und die Armutsquote bei 47 %.

 

Zwar wurden einige Fortschritte erzielt. So ist beispielsweise das
Durchschnittsalter von 56 auf 64 Jahre gestiegen, und die Zahl der Kinder,
die vor ihrem fünften Lebensjahr sterben, hat sich halbiert. Die
Alphabetisierungsrate stieg von 8 % auf 43 %. 89 % haben in den Städten
Zugang zu sauberem Trinkwasser; vorher waren es nur 16 %.

 

Jetzt fällt alles, was die Amerikaner*innen ausgegeben haben, in die Hände
der Taliban. Die afghanischen Soldaten lassen ihre Waffen zurück und
fliehen, diese Waffen sind den Taliban in die Hände gefallen. Die Taliban
besetzen nicht mehr das Afghanistan von 1996, sondern das Afghanistan von
2021, in das Billionen von Dollar investiert wurden.

 

Diese Niederlage der Amerikaner*innen ist nicht mit dem Rückzug der
Sowjetunion aus Afghanistan nach dem Genfer Abkommen von 1986 vergleichbar.
Die von der UdSSR ausgebildeten Kräfte überlebten nach ihrem Abzug noch drei
Jahre an der Regierung. Nun sind Ashraf Ghani & Co. innerhalb weniger Tage
weg, als die Taliban-Offensive nach dem Abzug der US-amerikanischen und
NATO-Truppen begann.

 

Die historische Lehre aus Afghanistan ist, dass durch direkte militärische
Intervention ausländischer Truppen geschaffene Kräfte das Land nicht
verteidigen können.

 

Die sowjetischen Streitkräfte haben sich 10 Jahre lang im Land aufgehalten
und sind gescheitert. Die US- und NATO-Truppen blieben 20 Jahre lang in
Afghanistan stationiert, die von ihnen ausgebildete afghanische Armee hat
sich kampflos aufgelöst. Der Grund liegt auf der Hand: Das afghanische Volk
und die Soldaten hatten keine ideologische Grundlage, um zu kämpfen.

 

Ashraf Ghani & Co. waren in Mega-Korruption verwickelt. Der
Klassenunterschied war groß. Die Afghanen kämpften nicht für die
Amerikaner*innen, wie sollten sie dann für deren Handlanger kämpfen?

 

Ashraf Ghani & Co. repräsentieren die schlimmste Form des Kapitalismus. Die
Taliban hingegen waren trotz aller Brutalität imstande, die Religion
geschickt zu nutzen. Sie hatten eine Idee von einem religiösen Staat. Ashraf
Ghani konnte nie deutlich machen, was für eine Art von Staat er wollte.

 

Der Sieg der Taliban ist eine schlechte Nachricht für Progressive in der
ganzen Welt. Kritik an den Handlangern der USA ist nicht als Unterstützung
für die Taliban gedacht. Die Opposition gegen beide wird weitergehen. Nur
der Sieg eines wirklich demokratisch-sozialistischen Programms kann das
künftige Blutvergießen in Afghanistan stoppen.

 

Der Sieg der Taliban ist kein Zeichen des Friedens, sondern eine Botschaft
des immerwährenden Bürgerkriegs. Die Errichtung eines weiteren
religiös-fanatischen Staates in Südasien wird in der gesamten Region
religiöses Sektierertum fördern, friedensfeindliche Maßnahmen werden
fortgesetzt werden.

 

 

 

-------------------------------------------------------------------

Aus: die internationale (Online-Ausgabe) Nr. 5/2021 

Nachdruck gegen Quellenangabe und Belegexemplar erwünscht

Bestellungen:    die internationale, Regentenstr. 57-59, 51063 Köln

E-Mail:                                    vertrieb(at)inprekorr.de

Einzelheft:  5 EUR;        Schnupperabo: Ein halbes Jahr für 10 EUR

Jahresabo:            25 EUR (Inland), 15 EUR (ermäßigt), E-Abo 50%

Artikel im Internet:                       https://www.inprekorr.de

-------------------------------------------------------------------

-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt...
URL: <https://listen.jpberlin.de/pipermail/inprekorr-l/attachments/20210817/fbbc69ae/attachment.htm>


Mehr Informationen über die Mailingliste Inprekorr-l