[Presseverteiler] PM Rote Hilfe e.V.: Taser im Streifendienst – bald auch gegen linke Aktivist*innen?

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Di Feb 7 18:09:17 CET 2017


Göttingen, 07.02.2017

Berliner Polizei rüstet auf
Taser im Streifendienst – bald auch gegen linke Aktivist*innen?

Seit Montag, den 06. Februar 2017, werden in Berlin die umstrittenen 
Elektroschock-Distanzwaffen, auch bekannt als „Taser“, von zwanzig 
Beamten im Streifendienst getestet. Der Einsatz erfolgt zunächst in zwei 
Einsatzbereichen in Berlin Mitte und Kreuzberg. Er läutet eine 
dreijährige Testphase der bei den Berliner Spezialeinheiten (SEK) 
bereits seit 2001 und in anderen Bundesländern ebenfalls bei SEK bereits 
gebräuchlichen Waffe im alltäglichen Streifendienst ein. Nach Ende des 
Testlaufs soll entschieden werden, ob der Taser zur Standardausrüstung 
der Berliner Polizeibeamt*innen gehören wird.
Aus Elektroschock-Distanzwaffen können Metallpfeile bis zu zehn Meter 
weit abgefeuert werden. Die Pfeile sind mittels Drähten mit dem Gerät 
verbunden und übertragen kurzzeitig eine Spannung von bis zu 50.000 Volt 
auf die Zielperson. Dadurch wird es den Beamten ermöglicht, Personen 
kurzzeitig außer Gefecht zu setzen und zu überwältigen. In anderen 
Ländern wie den USA, werden Taser bereits standardisiert verwendet und 
führten schon mehrfach zu Todesfällen. Gerade für gesundheitlich 
angeschlagene Menschen kann der Einsatz einer solchen Waffe tödlich 
enden.
Die Berliner Polizei soll großflächig ein weiteres effektives Mittel 
erhalten, um Menschen schnell in ihre Gewalt zu bringen. Die 
angepriesene Effizienz sowie die Verharmlosung der 
Elektroschock-Distanzwaffen dürfte Beamt*innen trotz zusätzlicher 
Schulungen zum vermehrten Einsatz einladen. Das bedeutet eine erneute 
Verschärfung polizeilicher Maßnahmen in der Hauptstadt. Eine Tatsache, 
die dem rot-rot-grünen Senat und seiner politischen Indifferenz zu 
verdanken ist.

Denn gefordert hatte die Einführung des Tasers niemand anderes als der 
ehemalige Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) während des 
Wahlkampfes zum Berliner Abgeordnetenhaus im vergangenen Herbst. Henkel 
fungierte als Spitzenkandidat und hatte die innere Sicherheit Berlins zu 
seinem zentralen Wahlkampfthema auserkoren – mit besonderem Augenmerk 
auf linke Aktivist*innen, gegen die er rigoros vorgehen ließ. Er ließ 
ein sogenanntes „Gefahrengebiet“ mit verstärkter Polizeipräsenz und 
willkürlichen Personenkontrollen rund um das umstrittene Hausprojekt in 
der Rigaer Straße 94 im Bezirk Berlin-Friedrichshain ausrufen. Höhepunkt 
dieser verschärften Maßnahmen war die durch den Innensenator mittels 
Polizeikräften unterstützte Räumung der Kneipe „Kadterschmiede“ zum 
Zweck der Renovierung durch den Eigentümer in der Rigaer Straße 94. 
Aufgrund eines fehlenden Räumungstitels seitens des Besitzers der 
Immobilie stellte sich die Aktion als widerrechtlich heraus. Politisch 
ein schwerer Schlag für den Innensenator, der sich davon jedoch 
zumindest öffentlich nicht beeindrucken ließ.

Mit der Forderung nach der Ausstattung der Berliner Polizei mit Tasern 
läutete Frank Henkel eine weitere Phase seines Wahlkampfes ein und 
setzte populistisch noch einen obendrauf. Der Vorschlag wurde damals von 
den anderen Parteien als reines Wahlkampfgetöse bewertet. Berlins 
Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) signalisierte, dass es 
unter seiner Regierung keinesfalls zum Einsatz von Tasern im Berliner 
Streifendienst kommen werde. Sowohl die Grünen als auch Vertreter der 
Partei DIE LINKE warfen Henkel ein reines Wahlkampfmanöver vor. Umso 
erstaunlicher, dass Henkels umstrittener Plan unter Müllers 
rot-rot-grüner Regierung nun nicht etwa verworfen, sondern 
stillschweigend in die Tat umgesetzt wird.
Nach der Affäre um Andrej Holm ist dies bereits die zweite kritikwürdige 
Entscheidung des Berliner Senats ohne entscheidenden Protest durch die 
Abgeordneten der Partei DIE LINKE.

Die Rote Hilfe e.V. spricht sich vehement gegen den geplanten 
flächendeckenden Einsatz der Elektroschock-Distanzwaffen im Berliner 
Streifendienst aus und ruft zum Protest gegen die weitere Aufrüstung des 
Polizeiapparates auf.
Es ist offensichtlich, dass Berlin als Hauptstadt hierbei eine 
Vorreiterrolle einnehmen soll. Bereits der Einsatz von Pfefferspray 
durch die Polizei, der auf  Demonstrationen der linken und sozialen 
Bewegungen inzwischen bundesweit zum Alltag geworden ist, kann für 
Menschen mit Atemwegserkrankunngen tödlich enden und gehört unverzüglich 
verboten.
Die Ausrüstung dergleichen Polizeikräfte geht in die völlig falsche 
Richtung. Die letzten Jahre haben eines eindrucksvoll unter Beweis 
gestellt: Wenn die Berliner Polizei geschult und aufgerüstet werden 
muss, dann in Deeskalation und Sozialkompetenz.

Heiko Lange
für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.


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