[Presseverteiler] Die Geschichte wiederholt sich: Zur Fingerabdruck-Pflicht
Rote Hilfe e.V. Presseverteiler
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Fr Nov 6 13:06:41 CET 2020
Die Geschichte wiederholt sich: Zur Fingerabdruck-Pflicht
Was bei der Bevölkerung unpopulär ist, durch Berufung auf Brüssel einführen: Dieser
Trick, bekannt von der ersten Durchsetzung der Vorratsdatenspeicherung 2007,
war bei der am gestrigen Donnerstag spät abends vom Bundestag beschlossenen
Pflicht zur Abgabe von Fingerabdrücken für alle Bürger*innen wieder zu bewundern.
Dabei fällt es fast schwer, die Empörung aufzubringen, die gegen diesen
bürger*innenrechtlichen Dammbruch eigentlich angebracht wäre,
denn mit EURODAC und VIS setzt die EU Daktyloskopie schon seit Jahren gegen
Menschen ohne passende Staatsbürgerschaft ein. Dass dies nun auf die eigenen
Bürger*innen zurückfällt, könnte geradezu als Fluch der Gleichgültigkeit
angesehen werden.
Dennoch: Hier findet der nächste Schritt zur Umkehrung der Beweislast statt.
Wir alle hinterlassen überall Fingerabdrücke. Wird ein Fingerabdruck am falschen
Ort gefunden – beispielsweise an einem ohne Genehmigung geklebten Plakat oder
einem Stück Klebeband an einem kritischen Transparent vor einem Parteibüro –
*und kann zugeordnet werden*, werden sich die fraglichen Personen dem vollen
Spektrum polizeilicher Maßnahmen von Vorladung über Hausdurchsuchung bis
Gewahrsamnahme oder Untersuchungshaft ausgesetzt sehen.
Die beschlossenen Maßnahmen reichen dafür noch bei weitem nicht.
Doch, die Geschichte wiederholt sich: Die biometrischen Ausweisfotos, die
anfangs, wie jetzt die Fingerabdrücke, auch nur zur Authentifikation der Ausweise
dienen sollten, sind mittlerweile im Online-Zugriff der Behörden und werden
eingestandenermaßen in gesichtserkennenden Kameras eingesetzt. Wie viele
kleine Krisen werden die Behörden brauchen, um nach und nach die
Beschränkungen der Nutzung der nun bevölkerungsweit erfassten Fingerabdrücke
abzubauen?
Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V. merkte dazu an:
„Sollten wir es in den nächsten Jahren wirklich nicht schaffen, diesen Übergriff
zurückzudrängen, sage ich voraus, dass die Polizeien bei Ausweiskontrollen
angetroffene Fingerabdrücke mit Fahndungsdaten werden abgleichen wollen.
Die Forderungen werden fast sicher sogar kommen, noch bevor nach
EU-Rechtslage fingerabdrucklose Personalausweise 2031 ungültig werden.
Und da die SPD schon dem heute verabschiedeten Gesetz nichts entgegengesetzt
hat, wird sie auch diesen Forderungen nichts entgegensetzen können.“
Sie führte weiter aus: „Die Alternative wäre ganz einfach: Die Bundesrepublik hat
zehn Jahre Zeit, die unselige EU-Vorordnung zu kippen oder sich zumindest eine
Ausnahmeregelung geben zu lassen, wie sie für Länder ohne Identitätskarten
ohnehin schon besteht. Das braucht keine Revolution und auch keinen
Koalitionsbruch. Das braucht nur einen Hauch Instinkt für Menschenrechte.“
Pressekontakt: Michael Demleitner (Datenschutzexperte der Roten Hilfe e.V.)
unter 06221/189147
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