[St-pauli-selber-machen] Park Fiction Komitee: Offener Brief an die Bezirksversammlung Altona

Park Fiction Organisation organisation at park-fiction.net
Sa Jan 15 21:03:37 CET 2022



Die Bezirksversammlung Altona hat eine Reihe hochproblematischer 
Beschlüsse gefasst, die den Park Fiction gefährden:

Unter dem Titel "Brennpunkt Park Fiction - Sozial- und 
Ordnungspolitische Maßnahmen gegen Partylärm und offene Drogenszene" 
werden die Besucher*innen des Parks diskriminierend beschrieben, und 
diese Beschreibung zum Anlass genommen um disziplinierende Massnahmen, 
Verbotsschilder und mehr Polizei und Kontrollen durchzusetzen.

Wir haben uns mit einer ausführlichen Analyse der Situation im Park an 
die Bezirksversammlung 
<https://park-fiction.net/offener-brief-zum-brennpunkt-park-fiction/> 
gewandt, die bei ihrem Beschluss Vertreter*innen einer 
"Anwohner*innen-Initiative Lärm im Park" angehört hat.

Die Argumentation von "Lärm im Park" wie auch der Bezirksversammlung 
öffnen den Raum für "Not in my Backyard"-Logiken und etablieren rechte 
Narrative, die als Deutungsmuster für Park Fiction fatal sind, und auch 
für andere Konflikte im Stadtteil (Cornern, Subkulturen, Clubs) 
jederzeit wieder mobilisiert werden können - eine Gefahr für vieles, was 
St. Pauli aus, und tolerant macht.

Material:

- Der Beschluss der Bezirksversammlung (Online hier 
<https://bv-hh.de/altona/documents/brennpunkt-park-fiction-sozial-und-ordnungspolitische-massnahmen-gegen-partylaerm-und-offene-drogenszene-dringlicher-antrag-der-fraktionen-von-cdu-und-gruene-neufassung-64276>)

- Die kleine Anfrage der CDU an den Senat (Online hier 
<https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/78069/antonipark_park_fiction_dauerparty_statt_ausgleich_zum_kieztrubel.pdf>)

- Die Titelstory der gestrigen MOPO zum selben Thema als Titelhier 
<https://park-fiction.net/wp-content/uploads/2022/01/MOPO_Titel-2.jpeg> 
und Artikel hier 
<https://park-fiction.net/wp-content/uploads/2022/01/MOPO_Artikel.jpeg>

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Park Fiction
Bernhard-Nocht-Str. 51
D-20359 Hamburg
https://park-fiction.net
organisation at park-fiction.net

*Offener Brief zum Beschluss der Bezirksversammlung Altona **„Brennpunkt 
Park Fiction“*

Hamburg, den 15. Januar 2022

Sehr geehrte Mitglieder*innen der Bezirksversammlung Altona,


Im Nachgang zu unserem Schreiben vom 3. Januar hier unsere Analyse der 
Situation im Park.

Angesichts der durch die Initiative „Lärm im Park“ in die Presse 
getragenen Auseinandersetzung, haben wir uns entschieden, diesen 
zugleich als Debattenbeitrag zu veröffentlichen.

Der Park Fiction ist eine öffentliche und informelle Bühne. Die 
Besucher*innen bringen sich ihren Spaß hierher selbst mit – 
Gesellschaft, Getränke, Musik, Sportgeräte, Bücher, Räder, Jonglage, 
Pizza. Es gibt unterschiedliche Bereiche und Inseln, dadurch können sich 
sehr verschiedene Menschen und Gruppen hier aufhalten, trotz der 
geringen Größe des Parks. Auch Menschen mit wenig Geld genießen den 
Blick. Gerade junge Leute lernen sich hier kennen. Die Besucher*innen 
eignen sich den Ort an, teils phantasievoll, teils sportlich, teils 
lebensfroh, teils lesend, teils drastisch. Wie in einem Café gibt es 
Stammgäste, deren gesellschaftliches Leben vor allem im Park 
stattfindet. Das war vor allem im ersten Lockdown unübersehbar, als der 
Park zur unverzichtbaren Begegnungsfläche wurde. Trotz der Fülle, und 
trotz der Nähe zum rauhen Pflaster der Reeperbahn, regeln sich hier noch 
immer erstaunlich viele Probleme selbst.

Diese informelle Kultur des Selbermachens ist der eigentliche Kern von 
Park Fiction, als politisches Projekt, als Planungsprozess und als 
Alltagskultur.

Das Funktionieren dieser informellen Kultur ist immer fragil – und seit 
einiger Zeit gefährdet. Der Beschluss der Bezirksversammlung Altona 
schafft hier keine Abhilfe. Nicht weil zusätzliche nächtliche 
Kloreinigung gefordert wird. Sondern, weil mit den ordnungspolitischen 
Forderungen nach Verbotsschildern, Sozialarbeit für die nicht 
vorhandenen Drogenabhängigen und nach einer Erhöhung der 
Polizeikontrollen genau die selbstorganisierte Kultur attackiert wird.

In ihrem bahnbrechenden Buch „Governing the Commons“ / „Die Verwaltung 
der Allmende“ arbeitete die Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom heraus, wie 
staatliche Intervention und Privatisierung selbstverwaltete Gemeingüter 
schwächen und zerstören. Die Information der Bezirksversammlung durch 
benachbarte Eigentümer*innen ist zwangsläufig vorurteilsbehaftet, mehr 
Lobby als Ini. Das gezeichnete Bild ist verzerrt und einseitig. Die 
ordnungspolitischen Maßnahmen sind ein recht grobes Besteck, und keine 
packt das Lärmproblem ab Mitternacht an, das bei einigen ganz direkten 
Anwohner*innen für echten Leidensdruck sorgt.

Wir versuchen deshalb hier keine direkte Entgegnung, sondern eine 
Beschreibung, die versucht, der Komplexität des Ortes gerecht zu werden. 
Dabei ist es unverzichtbar, den Betrachtungsrahmen weiter zu ziehen als 
nur den Park. Wir betrachten zunächst die einzelnen Orte im Park 
gesondert, und skizzieren die komplett unterschiedliche Situation je 
nach Jahreszeit, Wochentag, Wetterlage und Uhrzeit. Punktuell nehmen wir 
Bezug auf Ihren Beschluss. Zusätzlich versuchen wir, 
gesamtgesellschaftliche Entwicklungen und Parkspezifisches zu 
differenzieren.

Die Peripherie rutscht ins Zentrum

So, wie Musikstile nach einer Zeit im Untergrund manchmal zum Mainstream 
werden, ist auch der Park Fiction 16 Jahre nach seiner Eröffnung 2005 
kein Geheimtipp mehr. Es gibt keine Hamburger Tourismus-PR ohne die 
ikonischen Palmen. Der Park liegt zwischen Reeperbahn und Fischmarkt, 
also im Einzugsbereich von zwei Tourismus-Hotspots, extrem zentral – 
funktioniert aber ganz anders: Informell, selbstgemacht, wie oben 
beschrieben.

Park mit vielen Zimmern: Die Orte im Park

Der Kirchgarten der St. Pauli Kirche war bis zur Überplanung durch Park 
Fiction ein unwirtlicher Ort, wo Heroin vertickt und Hunde laufen 
gelassen wurden. Jetzt gibt es Mieter*innenbeete, Bohemiens auf dem 
Boulefeld, krabbelnde Kinder, eine nachbarschaftliche Idylle. Auch das 
ist Park Fiction.

Der Kreisverkehr ist heute ein von Nachbar*innen bepflanztes Ökotop 
namens Yaya Jabbi Circle. Er ist ein wichtiger Identifikationsort für 
migrantische, vor allem Schwarze Selbstorganisation. Viele 
Demonstrationen starten hier. Super!

Der Schauermannspark war ein Sandparadies für Kleinkinder in Kombi mit 
dem Café Amphore. Durch Mieterhöhung 2018 verdrängt durch ein Restaurant 
ohne Tagesbetrieb, hat der Schauermannspark seinen sozialen 
Treffpunktcharakter verloren. Mehrmals am Tag werden Schwarze Menschen 
von der Hafentreppe polizeilich durch den Park getrieben. Zwischen 18 
und 23 Uhr sitzen Auswärtige an den durchreservierten Tischen und 
dominieren diesen Abschnitt.

Umgekehrt die Riverkasematten: Kretschmer und die Moayeris sind ersetzt 
durch das sozial engagierte Überquell, dessen Köch*innen auf dem Dach 
ihres Lagergebäudes einen Küchengarten zusammen mit der Ganztagsschule 
St. Pauli hegen und ernten. Wir finden das toll!

Der Pudel oben war durch Eigentümerinnenstreit über ein Jahrzehnt 
lahmgelegt. Als kulturelle Impulsgeberin konzipiert stand auch das 
Amphitheater brach. Jetzt läuft es oben, coronabedingt, erst wieder 
gaaanz langsam an. Wir sind sicher: Der Tag wird kommen, an dem hier 
wieder Musikerinnen Kunstzeitungen lesen, radikale Konzepte diskutiert 
werden, Nachbarinnen aus der beengten Wohnung fliehen und der Mann mit 
dem Bart Platten auflegt. Wir werden uns im Amphitheater drängeln und 
aufgeregt dem Auftritt von Leyla Yenirce entgegen fiebern.

Die Treppe runter zur Turnhalle wird nie sauber gemacht, weil sie 
rechtlich Teil des Schulgeländes ist, die Schule das aber nicht weiß. Na 
sowas!

Der größte Teil des Parks auf dem Turnhallendach mit Hundegarten, 
Palmeninsel, „Fliegendem Teppich“, Holzdeck um den türkischen Hasel, 
Schach-, Mühle- und Tartanfeld ist der öffentlichste, atemberaubendste, 
bekannteste und meistbesuchte Teil des Parks. Nur um diesen Abschnitt 
geht es dem Altonaer Beschluss.

Aber: Wer ist da eigentlich? Und wann?

Herbst und Winter
Der Park im Winter ist leer, gehört Nachbar*innen mit Hunden. Die 
angeführte Beschallung 24/7 (Vierundzwanzig Stunden am Tag an Sieben 
Tage der Woche), wie im Beschluss behauptet, gibt es von November bis 
April nicht. Kommt die Sonne raus, füllt sich der Park sofort mit 
Nachbar*innen aller Hautfarben und Menschen mit Kindern. Spür die Sonne 
auf deiner Haut!

Frühling
Setzt der Frühling früh ein, ist der Park im Handumdrehen voll. Die 
Atmosphäre ist magisch, man kann die Freiheit förmlich mit Fingern spüren.

Hält die Sonnenphase länger an, erstickt der Park in dieser Phase 
regelmässig in Müll – denn die Müllabfuhr beginnt erst Ende Mai täglich 
im Park sauber zu machen. Das sollte geändert und an den wahren Bedarf 
angepasst werden.

Und: Anfang Mai ist immer Hafengeburtstag, drei Tage Sound-Terror und 
günstige Ausschweifung. Leider wird jedes Pflänzlein im Park dann 
niedergetrampelt. Das ist aber in der ganzen Gegend so.

Sommer
Wenn die Sonne richtig brennt, füllt sich der Park erst gegen Abend, 
dann aber umso heftiger. Unter dem Einfluss des Klimawandels gibt es 
viel mehr wärmere Nächte als in den Neunzigern. Und die Menschen 
verbringen mehr Zeit draussen.

Dieses Phänomen der Mediterranisierung betrifft nicht nur den Park, 
sondern alle Hamburger (oder Berliner oder Stuttgarter) Parks und 
Plätze, vorm Knust, die Corner-Ecken am Neuen Pferdemarkt und der 
Paul-Roosen-Strasse. Eigentlich ist das Verhalten, nach draussen zu 
gehen, doch gut. Wie auch immer: Das wird weiter gehen und mehr werden.

Diesen Sommer gab es jedoch eine drastische Alkoholverbotszone und eine 
extrem hohe Polizeistreifendichte. Offenbar ohne jeden Erfolg. Obwohl: 
Manche trinken jetzt ausserhalb des Parks, vor den Verbotsschildern, 
direkt vor dem Wohnprojekt Parkhaus. Cheers!

Meist hat sich im Sommer eine „Crazy Person of the Year“ herausgestellt. 
Wenn im Oberstudienratston der Lärm-Ini von „Mannbarkeitsritualen“ die 
Rede ist, fällt uns „Freddy Glitter Glitter“ (Spitzname geändert) ein, 
der zwei Sommer als Entertainer in Leopardenschwimmhose im Park 
verbracht hat. Irgendwann bestellte er 40 Bauzäune, wollte damit den 
Park einhegen und Eintritt verlangen. Irgendwann wurde er wieder 
eingewiesen. Klar kann so jemand nerven. Aber ist es nur negativ, wenn 
jemand sich von der Atmosphäre des Parks so getragen und sicher fühlt, 
dass er über mehrere Monate eine andere Rolle spielen kann?

Basketball
Das Tartanfeld hat sich in den letzten 7 Jahren zum beliebtesten 
Basketballfeld Hamburgs entwickelt. Den ersten Korb stellte ein 
Schwarzer Kellner aus der Nachbarschaft auf. Viele informelle Gruppen 
trainieren und spielen hier. Die St. Pauli Bats haben sich hier 
gegründet. Gründer Samer Ismaelat spielte früher in der 
Nationalmannschaft des Libanon, trainiert heute die Kids in St. Pauli 
und unterrichtet inzwischen Basketball an der Ganztagsschule.

Bluetoothboxen
…sind billig geworden, lauter, und die Akkus halten stundenlang. Dadurch 
kann Musik überall in der Stadt gespielt werden und auftauchen. Und das 
passiert auch, überall und zu allen Tageszeiten und auf dem Kiez in 
jeder Strasse.

In Verbindung mit Smartphones steht an jedem Ort der gesamte 
Musikkatalog der Welt zur Verfügung. Nicht nur im Park, überall.

Die Nacht
Zum Sonnenuntergang ist der Park am vollsten, am tollsten und am 
gemischtesten. Danach ändert sich das Bild und neuerdings füllt sich der 
Park wieder mit anderen Leuten ab 23 Uhr: Die Nutzung öffentlicher Räume 
nimmt zu. Dies betrifft die ganze Gesellschaft, nicht nur den Park Fiction.

Schwarmverhalten
Die Verbreitung von Smartphones und Messengerdiensten hat das 
Ausgehverhalten kollossal verändert, unberechenbarer gemacht, verstärkt, 
deterritorialisiert, auf eine Art, die bisher kaum erforscht ist. 
Geheime Orte können über Nacht zu Treffpunkten werden, von immer neuen 
Gruppierungen. Das betrifft auch den Park, ist aber grundsätzlich.

Kioskisierung
Anfang der 2000er wurde es leichter, Kioske zu eröffnen. Kioske 
schaffen, anders als Bars, meist keine eigene Kultur. Um die Reeperbahn 
sind Kioske oft reine Alkoholverkaufsstellen. Wenn die 3000 
Aussensitzplätze an der Reeperbahn alle besetzt sind, schlendern 
Freundesgruppen durch die Strassen. Auch in den Park. Diese Kultur ist 
eine internationale Erscheinung.

Lockdown
Der Beschluss verliert kein Wort über die Ausnahmesituation der letzten 
zwei Jahre – und die Bedeutungszunahme öffentlicher Räume als Ort 
pandemie-sicheren Zusammentreffens. Die Situation explodierte 2021, als 
das von der Bevölkerung angeeignete Heiligengeistfeld vom DOM in 
Beschlag genommen wurde: Die Jugendlichen drängten ins Karoviertel, ins 
Schlachthofgelände, und bis zu 500 Jugendliche trafen sich Nachts im 
Park. Und freuten sich an der Begegnung und der Wirkung ihrer Hormone. 
Richtig so!

Ein subkulturell aufgeladener Ort
Die erfolgreichsten HipHop-Musiker drehten Videos hier. Die Beginner 
2003 („Gustav Gans“), Bonez MC und RAF Camorra 2016 ihr meistgesehenes 
Video „Unter Palmen aus Plastik“. Ergebnis: 14jährige auf Klassenfahrt 
aus Schopfheim oder Schalke fotografieren sich mit den Palmen. Na und?

Hamburg erleben
HipHop hat für viele Jugendliche eine große Bedeutung, Wohnungen mit 
Elbblick sind ein teures Privileg, der Stadtteil derart gentrifiziert, 
dass junge Leute hier kaum noch herziehen können. Wer will Jugendlichen 
aus Billstedt oder Lurup verwehren, auch ein Stück der St. Pauli 
Atmosphäre zu erleben?

Kommen wir zum zentralen Punkt:

Verdrängung von der Hafentreppe
Gehandelt wird an der Hafentreppe seit den frühen 80erjahren vor allem 
Marijuana, ein Rauschmittel, das kurz vor der Legalisierung steht. Mit 
der Einführung der Task Force der Polizei zur Verdrängung des sichtbaren 
Strassendeals begann ab 2016 eine Vertreibung der traditionellen 
Kleindealerei von der Hafentreppe in die gesamte Umgebung.

Staatliche Intervention schwächt selbstorganisierte Problembewältigung
Konnten in der Nachbarschaft früher umfassende Beschränkungen der Zeiten 
und Orte des Handels abgesprochen werden, ist dies mit der steigenden 
Polizeipräsenz schwieriger geworden. Seit dem Einsatz der Task Force ist 
es unmöglich.
Von „Drogenabhängigen“ im Park kann jedoch gar keine Rede sein. Deshalb 
ist auch die Forderung nach „Sozialarbeit“ für die „Drogenabhängigen im 
Park“ unnötig.

Die Bestreifung durch die Polizei hat seit 2016 ein erschreckendes 
Niveau erreicht: Ab mittags steuern die Polizeiteams im 
10-Minuten-Rhytmus die Hafentreppe an. Die absurde Einsatzdichte hat die 
Lebensqualität für Schwarze Menschen in St. Pauli extrem verschlechtert, 
die sich nur noch schwer ohne polizeiliche Behelligung durch den einst 
für seine Toleranz bekannten Stadtteil bewegen können.

Task Force auf der Suche nach Beschäftigung
Die polizeiliche Dauerpräsenz trifft die ohnehin Prekarisierten 
besonders, vergiftet die Atmosphäre aber weit darüber hinaus. Eine 
Denunziant*innenmentalität wird gefördert, Probleme werden immer weniger 
selbst im Gespräch oder Streit gelöst, bei jeder Gelegenheit wird die 
Polizei geholt. Immer öfter mischen sich die letztlich sinnlos 
umherlaufenden Beamt*innen einfach ungefragt ein.

Zwischenfazit

Strassensozialarbeit? St. Pauli ist ein Toleranzgebiet für viele, auch 
Obdachlose. Was gebraucht wird, und wofür neben Park Fiction auch die AG 
Drogen eintritt, ist: Strassensozialarbeit für den Hafenrand. Für den 
gesamten Bereich südlich der Reeperbahn. Denn Obdachlose, 
Flaschensammler*innen, Menschen mit psychologischen Problemen, 
Kleindealer und die jungen Menschen mit prekärem Aufenthaltsstatus 
brauchen dringend Unterstützung. Das ehrenamtliche Engagement der 
Nachbar*innenschaft ist damit überfordert. Der Park ist nur ein Punkt im 
Gesamtszenario.

Nächtliche Ruhestörung? Ist sowieso verboten und die gibt es überall in 
St. Pauli. Während tags und abends viel zu viel Polizei im Park ist, 
kommt sie aber anscheinend im akuten Bedarfsfall nicht.

Weder das pauschale Alkoholverbot noch die erheblich gestiegene 
Polizeidichte haben in den letzten 2 Jahren die Situation verbessert – 
im Gegenteil. Noch mehr von der selben Medizin? Nach unserer 
Einschätzung laufen ordnungspolitische Maßnahmen ins Leere, weil sie die 
selbstregulativen Kräfte schwächen: Wenn die Polizei eingriffen hat, ist 
es für zivilgesellschaftliche Problemlösungen zu spät.

Die Rückgewinnung der Nacht?
Wir brauchen eine Kulturänderung: Für erfolgversprechender halten wir 
es, an der Kultur, an den Beziehungsweisen im Park zu arbeiten. Die 
angrenzenden Erdgeschosse haben alle keine öffentliche Funktion und 
wirken dementsprechend nicht zivilisierend in den Park hinein. Einen 
solchen Impuls bräuchte der Park, und ein solcher Ort, eine solche 
Änderung der Kultur kann jedoch nur von innen erarbeitet werden und 
sollte Personen aus den als „Problemgruppen“ beschriebenen Kreisen in 
die Entwicklung und Umsetzung einbeziehen. Auch das ist mit Ehrenamt 
nicht mehr zu erledigen, und auch nicht mit Sozialarbeit. Wir denken, 
man muss hier ein neues Modell entwickeln, das Erkenntnisse aus anderen 
Nachtorten in den Aussenraum übersetzt. Erkenntnisse, wie etwa Cafés 
Gastlichkeit organisieren, und wie Clubs wie das Molotow oder der FC St. 
Pauli auf kollegiale Art mit Gemengelagen klar kommen. Wesentlich ist 
jedoch: Eine Lösung kann nur durch und mit den Betroffenen und 
Nutzer*innen entwickelt werden.

Entzerren? Die lauten Nächte finden im Park genau aus den Gründen statt, 
die den Park auch ansonsten attraktiv machen: Die Aufenthaltsqualität, 
der auch bei Nacht spektakuläre Blick, es ist robust aber komfortabel.

Nun sind die Palmeninsel, die Tribüne im Hundegarten, die Treppe zum 
Kirchgarten sehr nah am betroffenen Pastorat und offenbar auch relativ 
nah an den fünf Wohnungen im Parkhaus, bei denen der Leidensdruck 
besonders hoch ist.

Diese Situation zu entzerren, Alternativen weit weg von der Wohnbebauung 
zu bieten, in Kombination mit der Etablierung einer nächtlichen Kultur 
des Kümmerns, könnte die Situation entspannen, und neue bessere Orte für 
Hamburgs Jugend schaffen, statt diese nach altbekanntem 
Gentrifizierungsmuster zu verdrängen.

Genau aus diesem Grund arbeiten wir seit zwei Jahren unter den Titeln 
„Die Füße in die Elbe strecken“ und „Die Rückgewinnung des Öffentlichen“ 
an der auch von den Grünen im Wahlkampf propagierten Idee des „Sprungs 
an die Elbe“, wo ein breiter Betonstreifen am Ufer derzeit 
gesellschaftlich brach liegt.

Mit freundlichen Grüßen,

das Park Fiction Komitee
-------------- nächster Teil --------------
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