Bundesverfassungsgericht: Kfz-Massenabgleich in Niedersachsen wirft "gewichtige verfassungsrechtliche Fragen" auf
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Do Jul 17 16:44:14 CEST 2014
Pressemitteilung des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung vom 17.07.2014:
Bundesverfassungsgericht: Kfz-Massenabgleich in Niedersachsen wirft
"gewichtige verfassungsrechtliche Fragen" auf
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden,[1] eine
Verfassungsbeschwerde gegen den massenhaften Abgleich von
Kfz-Kennzeichen in Niedersachsen aus formalen Gründen nicht zur
Entscheidung anzunehmen. Die 2008 eingereichte Beschwerde sei wegen
Versäumung einer Frist unzulässig. Allerdings stellten sich in der Sache
"gewichtige verfassungsrechtliche Fragen".
Der niedersächsische Beschwerdeführer Oliver Steinkamp vom Arbeitskreis
Vorratsdatenspeicherung fordert nun den Landtag auf, die in seiner
Beschwerde[2] aufgeworfenen Fragen zu klären: "Die Streubreite der
niedersächsischen Ermächtigung zu Dauerkontrollen an fast beliebigen
Straßen steht außer jedem Verhältnis zum Ertrag der Maßnahme. Dieses
Gesetz ist kompetenzwidrig, unklar und unverhältnismäßig. Ganz allgemein
bin ich der Überzeugung: 50 Millionen Autofahrer in Deutschland dürfen
nicht als potenzielle Verbrecher unter Generalverdacht gestellt werden.
Rechtschaffene Bürger haben ein Recht auf datenfreie Fahrt.
Niedersachsen muss endlich dem Vorbild anderer Länder folgen und das
massenhafte Scannen unserer Kfz-Kennzeichen einstellen!"
Nach Informationen der niedersächsischen Landesregierung[3] sind im Jahr
2013 mithilfe von 13 Lesegeräten über 450.000 Kfz-Kennzeichen gescannt
worden. Die Trefferquote lag lediglich bei 0,1%. Dass aufgrund von
Treffermeldungen konkrete Gefahren abgewendet worden wären, wird nicht
mitgeteilt.
Hintergrund:
2008 erklärte das Bundesverfassungsgericht das hessische und ein
schleswig-holsteinisches Gesetz zum Kfz-Massenabgleich für
verfassungswidrig und daher nichtig. Der schleswig-holsteinische
Innenminister Lothar Hay gab daraufhin bekannt, er verzichte auf eine
Neuregelung, denn das Kfz-Scanning binde Personal, das an anderen
Stellen sinnvoller für operative Polizeiarbeit zum Schutze der Bürger
eingesetzt werden könne. „Das Kfz-Scanning hat sich als ungeeignetes
Instrument zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit
erwiesen“, so Hay damals. Bremen, Saarland und Rheinland-Pfalz haben
entsprechende Regelungen seither ersatzlos gestrichen.
Weiterhin in der Prüfung befinden sich Verfassungsbeschwerden gegen
Ermächtigungen zum Kfz-Massenabgleich in Hessen und Baden-Württemberg.
Das Bundesverwaltungsgericht will im Herbst über eine Klage gegen den
Kfz-Massenabgleich in Bayern verhandeln.
Das umstrittene Verfahren des Kfz-Kennzeichenabgleichs wird immer wieder
kritisiert: Autofahrer könnten durch den fehleranfälligen Massenabgleich
jederzeit irrtümlich angehalten und kontrolliert werden. Je nach Wetter
werde etwa jedes 20. Kennzeichen falsch eingelesen.[4] Aufgrund des
massenhaften Abgleichs komme es dadurch stündlich zu Falschmeldungen.
Der Massenabgleich, mit dessen Hilfe auch verdeckte Bewegungsprofile für
Polizei und Geheimdienste erstellt würden, entfalte insgesamt eine
schädliche und abschreckende Wirkung auf unsere Gesellschaft, besonders
etwa im Vorfeld von Demonstrationen. Dem stehe kein nennenswerter Nutzen
gegenüber.
Nachweise:
[1] Nichtannahmebeschluss:
http://www.daten-speicherung.de/wp-content/uploads/Nichtannahmebeschluss_Kfz-Massenscanning_Nds_2014-06-04.pdf
[2] Beschwerde:
http://www.daten-speicherung.de/index.php/kfz-massenabgleich-in-niedersachsen-gesetzeswidrig/
[3] Stellungnahme der Landesregierung:
http://www.landtag-niedersachsen.de/ps/tools/download.php?file=/ltnds/live/cms/dms/psfile/docfile/39/17_15325379bdc5a25ec.pdf&name=17-1532.pdf&disposition=attachment
[4] Fehlerquote:
http://www.daten-speicherung.de/index.php/bericht-uber-kfz-massenabgleich-geleakt/
Pressekontakt zu Oliver Steinkamp (bitte nicht veröffentlichen):
Tel. 04933-2521
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