[IPK] Griechenland muss mit der Troika brechen und die Schuldenzahlungen einstellen

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So Mai 20 21:09:47 CEST 2012


Griechenland muss mit der Troika brechen und die Schuldenzahlungen
einstellen
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Es ist von äußerster Dringlichkeit, dass die sozialen Bewegungen in Europa
wirklich aktive Solidarität mit dem griechischen Volk üben und eine
gemeinsame Plattform des europäischen Widerstands gegen Sparmaßnahmen und
für die Streichung illegitimer Schulden bilden.


Von Eric Toussaint


Ein Großteil der griechischen Bevölkerung hat seit dem ersten Memorandum Mai
2010 einen zunehmenden Widerstand gegen die von den griechischen Behörden
und der Troika auferlegten Sparmaßnahmen gezeigt: Generalstreiks, Besetzung
von öffentlichen Plätzen, Demonstrationen, Widerstandsbewegungen gegen
Tariferhöhungen für Dienstleistungen und Verkehr, ganz zu schweigen von der
zunehmenden Aktivität bestimmter Dienste wie dem Krankenhaus von Kilkis in
Mazedonien oder dem Neustart der Tageszeitung "Eleftherotypia" unter
Arbeiterkontrolle am 15. Februar 2012.

Unterordnung und Zugeständnisse der griechischen Regierung gegenüber der
Troika haben die wirtschaftliche Lage des Landes nur verschlechtert und
verstoßen gegen die wirtschaftlichen und sozialen Rechte der Bevölkerung.

Der neueste Plan, fälschlicherweise als "Rettungsplan" bezeichnet, ist ein
weiterer Schritt zur Aufgabe der Souveränität Griechenlands gegenüber der
Europäischen Union und den Gläubigern: alle neuen Darlehen sollen direkt in
die Rückzahlung von weitgehend illegitimen Schulden gehen und direkt von den
Gläubigern verwaltet werden.

Die Völker der südlichen Länder der Welt wurden zwei Jahrzehnte lang (1982
bis Anfang 2000) dieser Art von Politik unterworfen. Der Vorwand, der
Schuldenrückzahlung wird als Waffe genutzt, um eine Reihe von sozialen
Errungenschaften zu vernichten, die in wirtschaftlichen und sozialen Rechten
festgeschrieben sind. 

Argentinien ist ein typischer Fall. Nach 25 Jahren neoliberaler Politik
(1976--2001) und einer Reihe von vom IWF diktierter Sparmaßnahmen brach im
Dezember 2001 ein Volksaufstand aus und führte zum Zusammenbruch der
Regierung. Die neuen Verantwortlichen haben einseitig die Aussetzung der
Rückzahlung der öffentlichen Schulden verordnet, die in Form von
Wertpapieren für einen Betrag von 90 Mrd. $ an den Finanzmärkten verkauft
worden waren. Dies bleibt bis heute die wichtigste Zahlungsaussetzung der
Geschichte. Nach drei Jahren der Zahlungsaussetzung, in denen die Regierung
eine Politik der Wirtschaftsankurbelung betrieben und sich und geweigert
hat, den Empfehlungen des IWF zu folgen, setzte Argentinien gegenüber den
Gläubigern eine Schuldenstreichung von 65% durch. Seit Ende Dezember 2001
hat Argentinien auch die Rückzahlung der bilateralen Schulden (in Höhe von
6,5 Mrd. $) gegenüber Ländern wie Spanien, Frankreich, Deutschland, Italien
und Großbritannien, die sich im Pariser Club zusammengeschlossen haben,
ausgesetzt. Diese Zahlungsaussetzung dauert jetzt schon 10 Jahre und ist
Argentinien sehr gut bekommen. Zwischen 2003 und 2012 stieg seine
durchschnittliche jährliche Wachstumsrate bis auf 8%. Wenn Argentinien die
Rückzahlung der Schulden nicht ausgesetzt und die Diktate des IWF und
anderer Gläubiger nicht abgelehnt hätte, dann hätte es 2004--2005 kaum von
der Preiserhöhung der Produkte profitieren können, die es auf den Weltmarkt
exportiert. Alle Einnahmen wären von der Schuldentilgung verschlungen
worden. Unter öffentlichem Druck haben die argentinischen Behörden
Tariferhöhungen für Strom, Wasser, Telekommunikation usw. verweigert. die
die ausländischen multinationalen Konzerne und der IWF verordnen wollten.
Die Lebensbedingungen der Argentinier haben sich erheblich verbessert und
heute wählen Bürger Europas den Weg in dieses Land, um zu versuchen, einen
anständigen Job zu finden. Das Beispiel Argentinien zeigt, dass man durch
die Weigerung, sich den Gläubigern und dem IWF zu unterwerfen und weitgehend
illegitime Schulden zu bezahlen, den Kopf heben und die Lebensbedingungen
der Bevölkerung verbessern kann. 

Wie am Anfang dieses Artikels erwähnt darf der Kampf der Griechen nicht
isoliert bleiben. Wir müssen eine breite Bewegung der Solidarität mit allen
Völkern Europas aufbauen und eine Widerstandsfront für die Streichung
illegitimer Schulden und den umfassenden Wiederaufbau eines Europas der
Völker durch einen wahrhaft demokratischen verfassunggebenden Prozess
errichten.


Eric Toussaint ist Vorsitzender des Komitees für die Streichung der Schulden
der Dritten Welt (CADTM), Mitglied der Kommission des Präsidenten zur
umfassenden Prüfung der Verschuldung (CAIC) von Ecuador und des
Wissenschaftlichen Rates von ATTAC Frankreich, Aktivist der Ligue communiste
révolutionnaire (belgische Sektion der Vierten Internationale) und Mitglied
des Internationalen Komitees der Vierten Internationale. Er hat kürzlich
zusammen mit Damien Millet das Buch "La Dette ou la Vie" (Aden--CADTM, 2011)
herausgegeben und sich an dem Buch von ATTAC "Le piège de la dette publique.
Comment s'en sortir" (édition Les liens qui libèrent, Paris, 2011)
beteiligt. Dieser Artikel wurde für die Zeitung "Eleftherotypia der
Arbeiter" geschrieben.
Übers.: Björn Mertens



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