[IPK] Tsipras beugt sich der Arroganz der Troika
webmaster at inprekorr.de
webmaster at inprekorr.de
Do Jul 16 18:00:47 CEST 2015
Griechenland:
Tsipras beugt sich der Arroganz der Troika
-------------------------------------------------------------------
Das Diktat von Merkel und Hollande muss durch breite Mobilisierung in
Griechenland und Europa abgewehrt werden
Von Léon Crémieux
Die Kräfte der Reaktion, die konservativen und die sozialdemokratischen,
sind begeistert: Nachdem Berater und Beraterinnen des französischen
Präsidenten François Hollande "good cops" gespielt und bei der
Ausarbeitung einer Vereinbarung mitgewirkt hatten, haben Tsipras und die
griechische Regierung in der Nacht [vom 9. auf den 10. Juli] den Entwurf
für solch eine Vereinbarung geschickt; dieser gibt fast Wort für Wort
getreu den Text wieder, den die griechische Bevölkerung, vor allem die
Arbeitenden und die Arbeitslosen, am letzten Sonntag [den 5. Juli] mit
überwältigender Mehrheit abgelehnt hatte.
Wenn 62 % der Wählerschaft gegen den Entwurf der Vereinbarung mit der
Troika gestimmt haben, dann weil sie genau wissen, was sie fünf Jahre
lang ausgehalten haben, und dass jeder neue Sparplan noch mehr Armut und
Elend bringt, und weil das griechische Volk seine Würde und die
Kontrolle über sein Schicksal wieder erlangen will.
Wenn die griechische Regierung jetzt auf genauen Gegenkurs zu dieser
Abstimmung geht, dann reagiert sie offensichtlich auf den Druck der
Troika, der in den letzten Wochen und noch mehr seit Montag [den
6. Juli] ständig gewachsen ist.
Tsipras ist am Ende einer neuen Runde in einem Tauziehen mit der Troika
gelandet. Nach dem Erfolg des Referendums war das Signal, das von den
führenden europäischen Politikern und Politikerinnen gesendet wurde,
eindeutig: Es kommt gar nicht in Frage, dass der Willen des griechischen
Volkes akzeptiert wird.
Die erste Alternative war, mit den Institutionen und Regeln der
Europäischen Union zu brechen, was bedeuten würde, die Kontrolle über
das Bankensystem zu herzustellen, die Zahlung der Schulden zu stoppen
und die Bevölkerung zu mobilisieren, um jeden Versuch von interner und
externer Sabotage zu verhindern. Bisher hat sich die Regierung Tsipras
geweigert, diesen Weg einzuschlagen, der, wenn er auch notwendige
Manöver gegenüber den Institutionen nicht ausschließt, erfordert, die
Bevölkerung aufzufordern, sich zu organisieren und zu mobilisieren, um
ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen.
Die zweite Alternative war die sofortige Übernahme der Troika-Maßnahmen,
um die Erstickung zu vermeiden. Durch die Annahme der Vereinbarung und
das Abwenden des Konkurses hofft Tsipras vielleicht, den Griff der
Rückzahlungen zu lockern und später sogar den Abbau von Sparmaßnahmen
angehen zu können. Aber die europäischem Sklaventreiber sind auf diesem
Ohr taub und akzeptieren keine "einseitigen", das heißt souveränen
Maßnahmen. Ohne neue Konfrontation mit den Spitzenpolitikern und
--politikerinnen der Europäischen Union setzen die in Griechenland wie
überall einen Sozialabbau ohne Ende durch.
Auf dieser Ebene werden die Hürden von Merkel, Hollande, Juncker und
Lagarde gesetzt. Von denen kann niemand länger akzeptieren, dass ein
Volk die Regeln der europäischen Kapitalisten ablehnt.
Sie akzeptieren eine Umschuldung oder die Streichung eines Teils der
Schulden, wie sie das schon 2012 durchgeführt haben, nur im Gegenzug zu
der totalen Unterwerfung der Athener Regierung unter die
Anpassungspläne. Die EU-Politiker und --Politikerinnen, die behaupten,
sie sprächen im Namen der Völker, wollen, dass die Regierung und das
griechische Volk sich unter ihr Joch beugen, damit die anderen Völker
die Lektion verstehen: "There is no alternative" (Es gibt keine
Alternative), wie Margaret Thatcher Anfang der 80er Jahren sagte.
Die griechische Regierung kann diesem Druck nicht weiter standhalten,
solange sie die Regeln der Europäischen Union akzeptiert.
Aber wir dürfen nicht passive Zuschauer und Zuschauerinnen dieses
Kampfes und der neuen Entwicklungen sein. Doch auch wenn Tsipras
Unterstützung im Parlament unter den Troika-hörigen Parteien finden
könnte, wird es viele Stimmen in Griechenland, in Syriza und in der
gesamten radikalen Linken, in den sozialen Bewegungen und in der
Gewerkschaftsbewegung geben, die sich erheben, um an die vor Januar 2015
eingegangenen und in der vergangenen Woche erneut bekräftigten
Verpflichtungen zu erinnern. Diese Stimmen werden ein Echo finden bei
diejenigen, die in ganz Europa erneut gegen die europäischen Regierungen
und die Europäische Zentralbank mobilisieren müssen, damit die ständige
Erpressung der Schulden endet, damit diese verabscheuenswerten und
illegitimen Schulden gestrichen werden und damit das griechische Volk
aus dem Würgegriff frei kommt. So wie nach dem 20. Februar hat die
Troika die Partie noch nicht gewonnen.
10. Juli 2015
Aus dem Französischen übersetzt von Björn Mertens
-------------------------------------------------------------------
Aus: Inprekorr (Online-Ausgabe) Nr. 4/2015 (Internat.Pressekorrp.)
Nachdruck gegen Quellenangabe und Belegexemplar erwünscht
Bestellungen: Inprekorr, Hirtenstaller Weg 34, 25761 Büsum
E-Mail: vertrieb(at)inprekorr.de
Doppelheft: 4 EUR; Schnupperabo: Ein halbes Jahr für 10 EUR
Jahresabo: 20 EUR (Inland), 12 EUR (ermäßigt), E-Abo 50%
Artikel im Internet: http://www.inprekorr.de
-------------------------------------------------------------------
Mehr Informationen über die Mailingliste Inprekorr-l