[IPK] Corona wird für Rassismus missbraucht

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Do Mär 25 17:27:31 CET 2021


Covid-19-Pandemie/Dänemark:

Corona wird für Rassismus missbraucht

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Online unter: https://www.inprekorr.de/588-cor-sap.htm

 

 

Die Linke muss die Führung übernehmen, um eine andere Agenda durchzusetzen.

 

 

Vom Sekretariat der SAP

 

 

Wenn jemand von einer ansteckenden, potenziell gefährlichen Krankheit
betroffen ist, sind die Reaktionen normalerweise Mitgefühl und Überlegungen,
wie den von der Krankheit Betroffenen geholfen und wie verhindert werden
kann, dass andere infiziert werden. Aber das gilt nicht immer und für alle.

 

Als die HIV-Infektion bei homosexuellen Männern besonders weit verbreitet
war, nutzten manche dies für Hetze gegen Schwule. Und jetzt, wo die Corona
u.a. relativ viele Menschen mit somalischem und libanesischem Hintergrund im
Raum Århus sowie einige polnische Schlachthofarbeiter in Ringsted [bei
Kopenhagen] infiziert hat, wird dies für Hassangriffe auf diese Gruppen
verwendet.

 

Wenn sich eine gefährliche Infektion bei einer bestimmten Gruppe von
Bürgern, an einem Arbeitsplatz oder in einem Wohngebiet, schnell ausbreitet,
ist es vorrangig, die Infektion mit aller Kraft zu stoppen.

 

Und in der konkreten Situation gibt es allen Grund, zu kritisieren und
Forderungen zu stellen: Warum wurden nicht zu einem früheren Zeitpunkt der
Schlachthof der Danish Crown geschlossen und die Belegschaft mit
Lohnfortzahlung nach Hause geschickt? Warum durfte die Infektion sich
zunächst viele Tage lang unter den fast 1 000 Mitarbeitern so heftig
ausbreiten?

 

Sowohl viele der Schlachthofbeschäftigte als auch viele der Infizierten in
der Region Gjellerup [Nord-Jütland] leben in sehr beengten Verhältnissen, in
denen sich die Infektion leicht ausbreitet und in denen es fast unmöglich
ist, in "Selbstisolation" zu gehen. Letzteres u.a., weil die Obergrenze für
Sozialhilfeleistungen Familien mit vielen Kindern gezwungen hat, in kleine
Wohnungen zu ziehen. Warum gibt es keine Sonderangebote für kostenlosen
Aufenthalt zur Selbstisolierung in einigen der vielen leerstehenden Hotels?

 

Die Informationsarbeit in Bezug auf Bevölkerungsgruppen, die kein Dänisch
als Muttersprache haben und möglicherweise auch keine dänischen Medien
sehen, wurde peinlich unterpriorisiert. In diesem Bereich hätten schon vor
längerer Zeit viel umfassendere und systematischere Anstrengungen
unternommen werden müssen.

 

Atemmasken sind ein wichtiges Mittel, um die Ausbreitung von Infektionen zu
stoppen - nicht zuletzt im öffentlichen Verkehr, aber auch anderswo. Die
Masken dürfen nicht mehrfach verwendet werden, wenn sie wirken sollen - und
kosten jeweils mindestens einige Kronen. Das ist eine Ausgabe, die für die
vielen Armen völlig unmöglich zu decken ist. Sie sind daher gezwungen, auf
Masken zu verzichten oder sie mehrfach zu benutzen, was sich nachteilig auf
die Infektionsbegrenzung auswirkt.

 

Atemmasken müssen vom öffentlichen Gesundheitswesen gekauft und kostenlos an
alle verteilt werden, auch an öffentlichen Orten (Busse, Züge, Bürgerämter,
Bibliotheken, Pflegezentren, Schulen, Kindertagesstätten und natürlich in
Krankenhäusern sowie bei Ärzten und Zahnärzten).

 

Die Forderung nach kostenlosen Atemmasken ist nicht weniger relevant
geworden, seit sie Ende dieser Woche in allen öffentlichen Verkehrsmitteln
obligatorisch wurden. Das systematische Wiederverwenden von Einwegmasken,
auf das viele sonst zurückgreifen würden, wird das genaue Gegenteil des
eigentlich angestrebten Ziels bewirken.

 

 

SCHÄUMENDE FREMDENFEINDLICHKEIT

 

Anstatt die Initiative zu ergreifen, um zu helfen, zu unterstützen und die
Infektion zu stoppen, tut sich der Klüngel fremdenfeindlicher Propagandisten
von der [rechtsliberalen] Venstre über die [rechtspopulistische] Dänische
Volkspartei bis zur [Asyl- und EU-feindlichen] Nye Borgerlige mit den
groteskesten, fremdenfeindlichsten Vorschlägen hervor: Inger Støjberg von
der Venstre will -- mit lautem Geschrei gegen die somalischen, libanesischen
und polnischen Bevölkerungsgruppen -- die Polizei losschicken, um zu
überprüfen ob kranke Menschen zu Hause bleiben, und sie "zwangseinweisen",
wenn sie dies nicht tun.

 

Peter Skaarup von der DF fordert obligatorische Atemmasken nur in den
"Ghettos" [1] - und eine massive polizeiliche Überwachung, ob dies in
"Ghettos und Moscheen" eingehalten wird. Und wenn jemand seine "Quarantäne"
nicht einhält ("Selbstisolation" gilt wohl nur für blasse Dänen?), sollen
ihm Fußfesseln angelegt werden ...

 

Pia Kjærsgaard von der DF formuliert noch schärfer: "Man muss die Infektion
eingrenzen und die Ghettos schließen. Es hilft nicht, dass die Menschen
herumlaufen und die Infektion verbreiten." Stacheldraht? Wachtürme...?

 

Pernille Vermund von der NB übertrifft dies noch mit Formulierungen wie "...
Einwanderer aus dem Nahen Osten sind ein zu großer Teil der Probleme, die
das Alltagsleben, die Freiheit und die Sicherheit der Dänen beeinflussen.
Und wieder werden es die Dänen sein, die mit einem längeren Warten auf die
Wiedereröffnung von Hochschulen, Veranstaltungsorten und Nachtclubs ihrer
Freiheit beraubt werden. Warum sollen wir diese Leute unter uns haben? Was
ist der Sinn?". Mit anderen Worten: Es gibt zu viele Menschen mit
nahöstlichem Hintergrund, die infiziert sind - schiebt sie alle ab!

 

Die Linie ist klar: Den ethnischen Minderheiten, die besonders stark von
Corona betroffen sind, soll nicht geholfen, sondern sie sollen beschimpft,
überwacht, diskriminierenden Sonderregeln unterworfen, kriminalisiert und in
Ghettos (im ursprünglichen Sinne des Wortes) eingesperrt - und am besten
alle abgeschoben werden...

 

 

EINE ANDERE AGENDA

 

Einige gut besuchte Beerdigungen (die teilweise im Freien stattfanden,
teilweise nicht einmal unter das Versammlungsverbot fielen) und
Zusammenkünfte im Zusammenhang mit der Feier von "Eid" [2] werden als
Ankerpunkte für die Schuldzuweisungen verwendet. Sehr bizarr, wenn man es
mit der Bewertung der Menschenmassen an den Stränden vergleicht - oder
damit, wie die Dänen Weihnachten gefeiert hätten, wenn es denn die passende
Jahreszeit gewesen wäre ...

 

Verschiedene Behörden und Medien haben ihren Teil dazu beigetragen, alle
Scheinwerfer auf ethnische Zugehörigkeit und Religion auszurichten. Auf der
anderen Seite wurden die offensichtlichen sozialen Ursachen kaum
berücksichtigt: beengte Wohnbedingungen, schlechte Arbeitsbedingungen,
gefährliche Arbeitsaufgaben, Armut. Oder Diskriminierung und politisch
beschlossene Fremdenfeindlichkeit, die ethnische Minderheiten besonders
anfällig machen - gerade in einer epidemischen Situation.

 

Es ist wichtig, dass die Linke und die ethnischen Minderheiten selbst sich
nicht wegducken und die Klappe halten, wenn rassistische Kräfte zum nächsten
Amoklauf starten. Wir antworten mit gleicher Münze: Beschimpfung der
Beschimpfer. Und mit den konkreten Forderungen - vgl. oben - nach konkreter,
großzügiger und wirksamer Unterstützung der Infektionskontrolle,
insbesondere unter den am stärksten gefährdeten. Es muss jemand, eine andere
Agenda aufstellen, und es ist Aufgabe der Linken, sich dabei an die Spitze
zu setzen.

 

 

17. August 2020

 

 

Übersetzung aus dem Dänischen und Anmerkungen: Björn Mertens

 

Die Socialistisk Arbejderpolitik (SAP) ist die dänische Sektion der IV.
Internationale

 

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Aus: die internationale (Online-Ausgabe) Nr. 6/2020 

Nachdruck gegen Quellenangabe und Belegexemplar erwünscht

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[1]  Rechtspopulisten in Dänemark gefällt es, Wohngebiete mit hohem
Migrationsanteil grundsätzlich als "Ghettos" zu bezeichnen

[2]  Das islamische Fest des Fastenbrechens "Eid al-Fitr" wurde 2020 vom 24.
bis zum 26. Mai gefeiert -- nach Wikipedia.

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