[IPK] USA: Harris, Trump oder keiner von beiden? Die Wut der arabischen und muslimischen Wähler:innen wächst

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Sa Okt 26 12:09:35 CEST 2024


USA:

Harris, Trump oder keiner von beiden?
Online unter: https://www.inprekorr.de/636-usa-mm.htm

Die Wut der arabischen und muslimischen Wähler:innen wächst


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Zu den wichtigsten politischen Entwicklungen bei den Präsidentschaftswahlen
2024 gehört, dass arabische, palästinensische und muslimische Menschen die
Partei von Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris wegen ihrer
Unterstützung des Völkermords in Gaza, Palästina und dem Libanon ablehnen.

 

 

Von Malik Miah

 

 

Arabische Amerikaner:innen erleben, wie ihre Familien bombardiert und
abgeschlachtet werden. Während sie in der jüngeren Vergangenheit
mehrheitlich die Demokraten gewählt haben, lehnen viele die Argumente
progressiver Liberaler (und einiger sozialistischer Linker) ab, dass eine
kritische Unterstützung für Harris besser sei, als „Trump gewinnen zu
lassen“.

 

Eine aufschlussreiche Umfrage in Michigan zeigt die tiefe Wut von
Palästinenser:innen, Araber:innen und Muslims. Der Council on
American-Islamic Relations (CAIR) veröffentlichte letzten Monat eine
Umfrage, die zeigte, dass die Kandidatin der Grünen, Jill Stein, bei den
muslimischen Wählern in drei umkämpften Bundesstaaten – Arizona, Michigan
und Wisconsin – vor Harris liegt. (Es ist nicht klar, ob die Umfrage das
Gewicht der afrikanisch-amerikanischen Muslime widerspiegelte – Anm. d.
Red.)

 

Auch der Muslim Public Affairs Council unterstützte kürzlich Stein, die im
Frühjahr bei einer pro-palästinensischen Kundgebung an der Columbia
University in New York verhaftet wurde.

 

Sie hat Dearborn, Michigan, während ihres Wahlkampfs mehrmals besucht.
Dearborn hat eine große arabisch-amerikanische Bevölkerung, hat den ersten
arabisch-amerikanischen Bürgermeister des Landes, Abdullah Hammoud, und ist
ein Zentrum der pro-palästinensischen Opposition gegen den israelischen
Krieg.

 

Dearborn ist Teil des Bezirks, in dem die einzige palästinensische
Amerikanerin im Kongress, Rashida Tlaib, gewählt wurde; dazu gehören auch
südasiatische Muslime in einem überwiegend schwarzen Teil von Detroit.

 

Laut einem Bericht des Michigan Public ergab die CAIR-Umfrage, dass 40
Prozent der muslimisch-amerikanischen Wähler:innen in Michigan Jill Stein
unterstützen wollen, während 18 Prozent den Republikaner Donald Trump, 12
Prozent Vizepräsidentin Kamala Harris und 4 Prozent den unabhängigen
Kandidaten Cornel West wählen wollen.

 

 

DIE MACHT DER „UNENTSCHLOSSENEN“

 

In Michigan stimmten mehr als 100 000 bei den Vorwahlen der Demokraten im
Februar mit „unentschlossen“. Biden gewann 2020 in Michigan mit einem
Vorsprung von 154 188 Stimmen gegen Trump.

 

Die Bewegung der „Unentschlossenen“, die den oder die demokratischen
Kandidaten unter Druck setzen wollte, einen dauerhaften Waffenstillstand zu
fordern und die Militärhilfe für Israel einzustellen, wuchs auf landesweit
etwa 700 000 Wähler:innen an. Aber der Parteitag der Demokraten lehnte die
Bitte ab, dass auch nur ein einziger palästinensisch-amerikanischer
Delegierter sprechen konnte.

 

Die CAIR-Zahlen für Michigan waren Teil einer nationalen Umfrage unter 1159
muslimischen Wähler:innen, die vom 25. bis 27. August durchgeführt wurde,
nachdem Vizepräsidentin Kamala Harris die Nominierung der Demokraten
angenommen hatte. Danach wollten landesweit 29,4 Prozent der amerikanischen
Muslime für Harris stimmen, 29,1 Prozent für Stein, 11,2 Prozent für Trump
und 4,2 Prozent für Cornel West. Beachtliche 16,5 % waren noch
unentschlossen, während 8,8 % nicht wählen wollen.

 

Nur Stein ist in genügend Bundesstaaten zugelassen, um die 270 Stimmen des
Wahlkollegiums gewinnen zu können, um Präsidentin zu werden. (Der Ausschluss
von Drittparteien ist ein weiteres Thema, wie das Wahlsystem zugunsten der
Demokraten und Republikaner juristisch manipuliert wird.)

 

 

WERBEN UM ARABISCHE BEVÖLKERUNGSGRUPPEN

 

Während Harris an Bidens Unterstützung für Israel festhielt, hat Cornel West
sich bemüht, arabische Wähler:innen in Dearborn durch Runde Tische mit
Spendern und führenden muslimischen Persönlichkeiten zu umwerben; ebenso hat
er Wahlkampfauftritte genutzt, um die „Katastrophe“ in Gaza anzusprechen,
was laut Politico Hunderte von Menschen in Dearborn anzog.

 

West und Stein sprachen beide auf dem nationalen Kongress des
Amerikanisch-Arabischen Antidiskriminierungskomitees (ADC) im September in
Dearborn, wo viele nach wie vor frustriert über ihre Wahlmöglichkeiten bei
der Präsidentschaftswahl sind, so die /Detroit Free Press/.

 

„Es bricht mir mein Herz als Demokrat, weil ich dachte, dass Menschenrechte
für alle wichtig sind", sagte Terry Ahwal, Direktorin des ADC-Ortsverbands
in Michigan, zu dem Nachrichtenportal. Harris ist „besser als Biden“, sagte
sie. „Sie benutzt Worte wie palästinensische Würde, aber das sind nur Worte,
während wir weiterhin Waffen schicken.“

 

„Ich bin immer noch unentschlossen und unglücklich“, sagte Osama Siblani,
Herausgeber der in Dearborn erscheinenden /Arab American News/. Harris‘
„Rede auf dem Parteitag war für mich nicht ausreichend, um eine Entscheidung
zu treffen. … Sie ist nicht anders, sie ist Teil der Regierung. Sie hat sehr
deutlich gemacht, was sie tun wird, wenn sie Präsidentin wird. … Und deshalb
ist Trump im Moment nicht wählbar, ebenso wenig wie Kamala Harris. Aber
heute sind es noch 60 Tage, und da haben sie noch viel Zeit.“

 

Die CAIR-Umfrage ergab, dass 69,1 Prozent der amerikanischen Muslime sagten,
dass sie im allgemeinen für die Demokratische Partei stimmen, aber
erstaunliche 94 Prozent sagten, dass sie Bidens Arbeitsleistung
missbilligen, wobei 98,2 Prozent mit seinem Umgang mit dem Konflikt in Gaza
unzufrieden waren.

 

------------ KASTEN -----------------------------------------------

 

ARABISCH-AMERIKANISCHE WAHLUMFRAGE

 

Das Arabisch-amerikanische Institut hat eine detaillierte Umfrage zu den
Wahlabsichten arabischer Amerikaner:innen
[https://www.aaiusa.org/library/the-arab-american-vote-2024] für die
Präsidentschaftswahlen veröffentlicht, verglichen mit der Aufschlüsselung im
Jahr 2020.

Die Umfrage bestätigt den enormen Rückgang der Unterstützung für die
Demokraten im Zuge des Völkermords in Gaza und der Komplizenschaft der
Biden-Regierung. (Da die Umfrage vor der israelischen Offensive im Libanon
durchgeführt wurde, ist der Schaden für die Demokraten jetzt wahrscheinlich
noch größer.)

Die Umfrage deutet darauf hin, dass jede pro-palästinensische Geste von
Kamala Harris – selbst nur symbolisch einen palästinensisch-amerikanischen
Redner oder Rednerin auf dem Parteitag der Demokraten zuzulassen – den
Schaden erheblich verringern würde. Dass es im Wahlkampf kein einziges
Zeichen dafür gibt, dass sie von der lautstarken Unterstützung für Israels
Krieg abrücken könnte, spricht Bände und könnte einen erheblichen Einfluss
auf das Ergebnis haben.

Die Umfrage zeigt, dass die Unterstützung für Drittparteien unter den
arabisch-amerikanischen Wähler:innen etwa 12 Prozent nicht übersteigt –
deutlich weniger als in den Umfragen von ADC und CAIR, aber im historischen
Vergleich immer noch signifikant. Die wichtigen Informationen und
Schlussfolgerungen der Umfrage sind es wert, in voller Länge gelesen zu
werden.

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„Trotz dieser Unzufriedenheit sind die muslimischen Wähler:innen nach wie
vor sehr engagiert: 82,1 Prozent geben an, dass sie ‚sehr wahrscheinlich‘ an
den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen teilnehmen werden“, berichtet
CAIR.

 

Dass so viele arabische Amerikaner:innen und Muslims – im Gegensatz zur
breiteren schwarzen, lateinamerikanischen oder asiatischen Bevölkerung –
Harris ablehnen, sollte keine Überraschung sein. Zehntausende
palästinensische Araber:innen haben während der Amtszeit von Biden und
Harris Familienmitglieder verloren, die vom kriminellen israelischen Regime
getötet wurden.

 

ADC, die größte arabisch-amerikanische Bürgerrechtsgruppe, hält ihre
jährliche Tagung namens „ArabCon“ normalerweise in Washington, D.C. oder
einer nahegelegenen Stadt ab; in diesem Jahr entschied sie sich aber, „nach
Hause zu kommen“, nach Dearborn, das den höchsten Prozentsatz an
arabisch-amerikanischen Einwohnern unter den US-Städten hat.

 

Da Michigan ein Swing state [mit knappen Mehrheitsverhältnissen] ist,
versuchen arabisch-amerikanische Aktivist:innen, die bedingungslose
Unterstützung Israels durch die beiden großen Parteien zu verringern. Das
Scheitern dieser Bemühungen erklärt, warum es so wenig Unterstützung für
Harris oder Trump gibt.

 

[…]

 

 

SCHWARZE STIMMEN

 

Es ist bemerkenswert, dass so viele schwarze Menschen den Kampf des
palästinensischen Volkes für Selbstbestimmung unterstützen. Wenn eine
Mehrheit Harris wählt, dann ohne große Begeisterung, wenn sie überhaupt zur
Wahl gehen.

 

Schwarze Menschen aus der Arbeiterklasse sind mit niedrigen Löhnen,
Inflation für Grundnahrungsmittel, Gesundheitskosten und unbezahlbarem
Wohnraum konfrontiert. Demokraten und auch Harris haben da wenig anzubieten.
Harris sagte, sie sei gegen jegliche Sonderprogramme für Schwarze
einschließlich Wiedergutmachungen.

 

Nichtsdestotrotz wird Harris eine überwältigende Unterstützung von schwarzen
Frauen und den meisten schwarzen Männern erhalten. Schwarze Eliten bedienen
sich einer nationalistischen Rhetorik, um politische Unterstützung von
Schwarzen für die Demokraten zu gewinnen.

 

Aber es gibt viele junge schwarze Menschen – Männer und Frauen –, die
unzufrieden mit der Unterstützung Israels durch Biden und Harris sind.
Einige sagen sogar: „Ist Trump wirklich eine größere Gefahr für die
Freiheit?“

 

Die Lehre aller bürgerlichen Wahlen in imperialistischen Ländern ist, dass
es keinen fundamentalen Wandel durch Präsidentschaftswahlen gibt. Parteien
wie die Grünen erklären dies und nutzen ihre Kandidaturen, um vor den
Mächtigen die Wahrheit auszusprechen.

 

Arabische und muslimische Menschen in Michigan verstehen dies besser als
andere unterdrückte Bevölkerungsgruppen.

 

 

Quelle: /Against the Current/, Nr. 233
[https://againstthecurrent.org/harris-trump-or-neither-arab-muslim-voters-an
ger-grows/], November/Dezember 2024.

Malik Miah ist a pensionierter Flugzeugmechaniker und gewerkschaftlich und
antirassistisch aktiv. Er ist beratender Redakteur von /Against the
Current/.

 

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Aus: die internationale (Online-Ausgabe) Nr. 6/2024 

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