[MD Presse] Artikel: Wahlen können Volksentscheide nicht ersetzen

Dirk Schumacher - Mehr Demokratie e.V. dirk.schumacher at mehr-demokratie.de
Mo Mär 14 11:41:04 CET 2016


Liebe Leute, 

hier der Artikel von Gregor aus der heutigen Ausgabe des Weeserkurier, 
den es online offenbar nicht gibt.

Gruß
Dirk



Wahlen können Volksentscheide nicht ersetzen
Gregor Hackmack über Schwächen der parlamentarischen Demokratie

Die Wahlbeteiligung hat in allen drei Bundesländern Rekordwerte 
erreicht. Eigentlich müssten wir den Super-Wahlsonntag in 
Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt als Fest der 
Demokratie feiern. Doch genau das waren die Landtagswahlen nicht. Denn 
sie offenbaren die Schwäche unserer rein parlamentarischen Demokratie. 
Den Rechtspopulisten der AfD ist es gelungen, die Landtagswahlen in 
eine Volksabstimmung über die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel zu 
verwandeln. Das hat zwar viele Wählerinnen und Wähler mobilisiert, doch 
die eigentlichen landespolitische Themen wie Schule, Bildung oder 
Verkehr rückten in den Hintergrund.

Die Konsequenz: Wer sich in der Flüchtlingspolitik eindeutig 
positionierte, wurde belohnt. Malu Dreyer (SPD) oder Winfried 
Kretschmann (Grüne), die sich klar pro Merkel aussprachen, dürfen ihr 
Ministerpräsidentenamt behalten und waren die strahlenden Gewinner des 
Wahlabends. Julia Klöckner (CDU) und Guido Wolf (CDU) hingegen, die 
einen Schlingerkurs in Sachen Flüchtlingspolitik fuhren, wurden 
abgestraft.

Die AfD mit ihrer eindeutigen Anti-Flüchtlingshaltung erhält ein 
Rekordergebnis und sitzt jetzt ohne wirkliches Programm in allen drei 
Landtagen. Das ist ein echtes Problem. Denn die Abgeordneten der AfD 
werden sich wohl eher nicht plötzlich für landespolitische Themen 
beginnen zu interessieren und nach den besten Lösungen ringen. Es ist 
zu befürchten, dass zumindest ein Teil der Abgeordneten ihr Mandat in 
den nächsten Jahren nutzen werden, um das demokratische System als 
Ganzes in Frage zu stellen. Rechtspopulisten sind weltweit auf dem 
Vormarsch. Wir können ihnen nur dadurch wirksam begegnen, wenn wir mehr 
Demokratie zulassen und somit das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger 
in die Politik stärken.

Ja, die Flüchtlingsfrage ist eine Frage, die viele Menschen bewegt. Es 
stehen zwei Alternativen zur Wahl: Merkels humanitärer Ansatz einer 
gesamteuropäischen Lösung oder aber die radikale Schließung der 
nationalen Grenzen bis hin zum Schießbefehl der AfD. Alle Umfragen, 
genau wie die klaren Wiederwahlen von Malu Dreyer und Winfried 
Kretschmann, zeigen hier ein eindeutiges Ergebnis pro Merkel. Wir 
sollten uns daher auch in schwierigen Fragen nicht vor 
Volksabstimmungen fürchten und uns stattdessen von Rechtspopulisten 
treiben lassen. Denn anders als Wahlprogramme würden Volksentscheide 
vorab vom Bundesverfassungsgericht auf die Einhaltung von Grundrechten 
überprüft.

Dieser Superwahlsonntag hat also eines gezeigt: Wir brauchen 
bundesweite Volksentscheide. Wahlen sind zu wichtig, um sie als 
Volksabstimmungen über eine einzelne Frage missbrauchen zu lassen.

Unser Gastautor,

geboren 1977 in Winsen, studierte Internationale Beziehungen und 
Politische 
Soziologie. Hackmack ist Geschäftsführer von abgeordnetenwatch.de und 
Deutschlandchef von Change.org, einer internationalen 
Online-Petitionsplattform.


Mehr Informationen über die Mailingliste md-presseschau