[Presseverteiler] PM Rote Hilfe e.V.: Münchner TKP/ML Prozess: Türkischer Staat erhält Zugriff auf Verteidigerpost

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Mi Okt 12 21:51:21 CEST 2016


Münchner TKP/ML Prozess: Türkischer Staat erhält Zugriff auf 
Verteidigerpost
„Faires Verfahren“ endgültig verunmöglicht


Durch einen Antrag der Verteidigung des Hauptangeklagten Müslüm Elma 
wurde bekannt, dass die bayerische Justiz dem türkischen Staat offenbar 
ermöglicht hat, in mindestens einem Fall Einsicht in den Schriftverkehr 
zwischen Anwalt und Verteidiger zu nehmen.

Ein sog. „Kontrollrichter“, der nicht dem erkennenden Senat des OLG 
München, sondern dem Amtsgericht Kempten angehört, liest sämtliche 
Korrespondenz seit dem Beginn des Verfahrens, was ohnehin schon als 
fragwürdige Praxis angesehen werden kann, sollte diese doch vertraulich 
sein. Da der Austausch in türkischer Sprache erfolgt, lässt der 
„Kontrollrichter“ sämtliche Briefe ins deutsche übersetzen, um sie lesen 
zu können, was eine Verzögerung von zwei bis vier Wochen zur Folge hat. 
Doch damit nicht genug wurde nun durch den Antrag bekannt, dass für die 
Übersetzung ein Büro in der Türkei engagiert wurde, dass noch nicht 
einmal eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen musste und sich nun 
weigert, die erstellten Kopien der vertraulichen Post zu vernichten. 
Ebenso wurden die Schriftstücke per unverschlüsselter Email in die 
Türkei übersandt, also in ein Land, dass sich im Ausnahmezustand 
befindet, auf eine Diktatur zusteuert und einen sehr hohen Grad an 
Telekommunikationsüberwachung durch Polizei und Geheimdienst aufweist.
Die VerteidigerInnen der restlichen neun Angeklagten lassen inzwischen 
überprüfen, ob es weitere Fälle in dieser Art gegeben hat.

Hierzu erklärt H. Lange, Mitglied im Bundesvorstand der Roten Hilfe 
e.V.: „War dieser Prozess von vornherein ein politischer Prozess im 
Auftrag des Erdogan-Regimes, so wird nun ein weiteres Mal deutlich, dass 
rechtstaatlichen Standards kein besonderer Wert beigemessen wird, wenn 
es um Verfahren gegen linke AktvistInnen geht. Nicht nur, dass sich die 
Anklage auf angebliche Erkenntnisse der für ihre Folterpraxis 
berüchtigten türkischen Polizeibehörden stützt, wird nun auch noch 
vertrauliche Post eines Angeklagten und vom Regime Verfolgten in die 
Türkei übermittelt.
Damit ist ein ohnehin nicht zu erwartendes „faires Verfahren“ endgültig 
verunmöglicht worden.“

Die zehn Angeklagten waren in einer europaweiten Razzia am 15.4.2015 
verhaftet und in Deutschland als mutmaßliche Mitglieder der 
Kommunistischen Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch inhaftiert 
worden. Seit 16 Prozesstagen wird ihnen wegen angeblicher 
„Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung“ 
(§129b StGB) vor dem OLG München der Prozess gemacht.

Die Rote Hilfe e.v. fordert die sofortige Freilassung der zehn 
GenossInnen und eine Entschädigung für die erlittenen Repressalien.

H. Lange
für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.

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